STK 2021 7 gewerbsmässiger Betrug (Art. 146 Abs. 1 und 2 StGB)
Urteil vom 1. Februar 2022
STK 2021 7
Mitwirkend
KantonsgerichtsvizePräsident lic. iur. Stefan Weber,
Kantonsrichter lic. iur. Walter züger, Reto Fedrizzi,
Bettina Krienbühl und Dr. Stephan Zurfluh,
Gerichtsschreiber MLaw Patrick Neidhart.
In Sachen
A.__,
Beschuldigter und Berufungsführer,
amtlich verteidigt durch Rechtsanwalt B.__,
gegen
1. Staatsanwaltschaft, 3. Abteilung, Postfach 128, Bahnhofstrasse 4, 8832 Wollerau,
AnklageBehörde und Berufungsgegnerin,
vertreten durch Staatsanwalt C.__,
2. D.__,
Privatklägerin und Berufungsgegnerin,
vertreten durch E.__,
betreffend
gewerbsmässiger Betrug (Art. 146 Abs. 1 und 2 StGB)
(Berufung gegen das Urteil des kantonalen Strafgerichts vom 9. November 2020, SGO 2020 15);-
hat die Strafkammer,
nachdem sich ergeben:
A. Nachdem die Privatklägerin am 18. Oktober 2016 Strafanzeige gegen den Beschuldigten erstattet hatte (U-act. 8.1.001), führte die Staatsanwaltschaft eine Strafuntersuchung wegen Verdachts auf Betrug (Art. 146 StGB), eventuell unrechtmässige Erwirkung einer Leistung (Art. 87 Abs. 1 AHVG), eventuell Verletzung der Meldepflicht (Art. 31 Abs. 1 ATSG; U-act. 9.1.001). Am 11. März 2020 erhob die Staatsanwaltschaft Anklage beim Strafgericht Schwyz (Vi-act. 1). An der Hauptverhandlung vom 9. November 2020 befragte das Strafgericht zunächst die beiden Zeugen G.__ und Dr. med. H.__ und danach den Beschuldigten (Vi-act. 31). Mit Urteil vom 9. November 2020 erkannte das Strafgericht was folgt (angefochtenes Urteil):
1. A.__ wird schuldig gesprochen des gewerbsmässigen Betrugs im Sinne von Art. 146 Abs. 1 und 2 StGB, begangen im Zeitraum von 6. November 2006 bis 3. November 2014.
2. A.__ wird mit einer Freiheitsstrafe von 24 Monaten bestraft.
3. Der Vollzug der Freiheitsstrafe wird bei einer Probezeit von zwei Jahren aufgeschoben.
4. Auf die Zivilforderung der D.__ im Betrag von Fr. 289'603.95 wird nicht eingetreten.
5. Die Kosten des Verfahrens, bestehend aus:
den Untersuchungs- und Anklagekosten 4'610.00
den Gerichtskosten (inkl. Gerichtsgebühr) 7'736.00
den Kosten der amtlichen Verteidigung 8'164.90
Total Fr. 20'510.90
werden A.__ auferlegt. Bezüglich der Kosten für die amtliche Verteidigung bleibt Ziff. 6 vorbehalten.
6. Amtliche Verteidigung:
a) Der amtliche Verteidiger RA B.__ wird aus der Staatskasse mit Fr. 8'164.90 (inkl. Auslagen und MwSt.; Fr. 180.-- Stundenansatz) entschädigt.
b) Die Kosten für die amtliche Verteidigung werden aufgrund der wirtschaftlichen Verhältnisse von A.__ einstweilen auf die Staatskasse genommen.
c) Vorbehalten bleibt die Rückzahlungspflicht von A.__ gemäss Art. 135 Abs. 4 lit. a StPO.
7. [Zustellung]
8. [Rechtsmittel]
B. Gegen dieses Urteil meldete der Beschuldigte am 11. November 2020 Berufung an (KG-act. 2). Mit BerufungsErklärung vom 17. Februar 2021 stellte der Beschuldigte folgende Rechtsbegehren (KG-act. 3):
1. Ziff. 1-3 des Dispositivs seien aufzuheben, und es sei der Beschuldigte vom Vorwurf des gewerbsmässigen Betrugs freizusprechen.
2. Ziff. 5 und 6 des Dispositivs seien dahingehend abzuändern, dass die Kosten des Verfahrens auf die Staatskasse zu nehmen seien und keine Rückzahlungspflicht gemäss Art. 135 Abs. 4 lit. a StPO vorzubehalten sei.
3. Die Kosten des Berufungsverfahrens seien, inklusive der Kosten für die amtliche Verteidigung, auf die Staatskasse zu nehmen.
Ausserdem beantragte der Beschuldigte, es seien die ürzte Dr. med. I.__, Dr. med. J.__, Dr. med. K.__, Dr. med. L.__ und M.Sc. M.__ sowie die Zeugen N.__ und O.__ einzuvernehmen und es sei ein psychiatrisches Gutachten bei der psychiatrischen Universitätsklinik Zürich über den Beschuldigten einzuholen (KG-act. 3). Weder die Staatsanwaltschaft noch die Privatklägerin erklärten Anschlussberufung (KG-act. 4 ff.). Am 29. April 2021 reichte der Beschuldigte eine Bestätigung der Stiftung für politische Gefangene, Irak, samt übersetzung sowie eine Visitenkarte des Hotels P.__ ein und beantragte, diese Beweismittel seien zu den Akten zu nehmen (KG-act. 7). Ein Gesuch der Staatanwaltschaft um Dispensation von der persönlichen Teilnahme an der Berufungsverhandlung wurde mit Verfügung vom 18. Januar 2022 abgewiesen (KG-act. 16). Mit Eingabe vom 28. Januar 2022 reichte der Beschuldigte ein weiteres sozialversicherungsrechtliches Gutachten vom 13. Oktober 2021 ein (KG-act. 17). An der Berufungsverhandlung vom 1. Februar 2022 wurden die Zeugen Dr. med. J.__ und Dr. med. Q.__ sowie der Beschuldigte befragt (KG-act. 19). Die Verteidigung beantragte, das Urteil des Strafgerichts vom 9. November 2020 sei aufzuheben und es sei der Beschuldigte vom Vorwurf des Betrugs freizusprechen, unter Kostenfolgen inkl. der amtlichen Verteidigung zu Lasten des Staates (KG-act. 19/2). Die Staatsanwaltschaft verlangte die kostenfällige Abweisung der Berufung (KG-act. 19/4);-
in Erwägung:
1. Sachverhalt
a) Einreise und Asylverfahren
Gemäss den beigezogenen Akten aus dem Asylverfahren reiste der Beschuldigte am 9. Juni 1999 in die Schweiz ein und stellte gleichentags ein Asylgesuch (U-act. 14.1.011 S. 5). Am 18. Juni 1999 wurde er durch die Empfangsstelle Kreuzlingen (U-act. 14.1.011) und am 5. August 1999 durch die Fremdenpolizei des Kantons Schwyz befragt (U-act. 14.1.010). Im Wesentlichen sagte er aus, der irakische Geheimdienst verlange von ihm, Leute zu ermorden und Sprengsätze zu legen, was er nicht tun wolle. Deshalb sei er geflachtet (U-act. 14.1.011 S. 4; U-act. 14.1.010 S. 6). während er am 18. Juni 1999 angab, er sei im Februar 1999 geflachtet (U-act. 10.1.011 S. 5), sagte er am 5. August 1999 aus, er sei bereits Ende Dezember 1998 aus dem Irak geflohen (U-act. 10.1.010 S. 5). Ferner sagte er aus, er sei wegen einer Verwechslung einmal im Sommer 1993 auf dem Polizeiposten R.__ für sieben Tage festgehalten worden, sonst sei er nie in Haft gewesen (U-act. 10.1.011 S. 4). MiliTürdienst habe er nicht geleistet (U-act. 10.1.010 S. 5 und 12). Er habe 1992 und 1993 Flugblätter gegen das irakische Regime verteilt, ansonsten sei er nicht politisch aktiv gewesen (U-act. 10.1.011 S. 4; U-act. 10.1.010 S. 12). Mit Verfügung vom 5. Juli 2001 wies das Bundesamt für Flüchtlinge das Asylgesuch im zweiten Rechtsgang ab. Dies im Wesentlichen mit der Begründung, die Angaben des Beschuldigten seien widersprächlich, realitätsfremd und nicht mit der allgemeinen Lebenserfahrung zu vereinbaren (U-act. 14.1.004). Eine dagegen erhobene Beschwerde wies die Schweizerische Asylrekurskommission am 25. Oktober 2001 ab. Zusammengefasst erwog die Schweizerische Asylrekurskommission, insgesamt würden die Ausführungen des Beschuldigten nicht den Eindruck erwecken, er schildere selbst Erlebtes. Dem Beschuldigten könne nicht geglaubt werden, dass er durch AnGehörige des irakischen Geheimdienstes in der geltend gemachten Form zur Mitarbeit angehalten und nach seiner Weigerung behürdlich gesucht respektive verfolgt worden sei (U-act. 14.1.003 S. 12 f. E. 6.e und 6.f). Weil der Vollzug der Wegweisung in den Zentralirak nicht zumutbar war, wurde der Beschuldigte trotz Abweisung seines Asylgesuchs vorläufig in der Schweiz aufgenommen (U-act. 14.1.004 S. 7 Dispositivziffer 4).
b) Arbeitsunfähigkeit und IV-Anmeldung
Nach seiner Einreise arbeitete der Beschuldigte mit Unterbrächen als Kellner bzw. Küchenmitarbeiter für verschiedene Arbeitgeber, ehe er sich am 20. Juli 2005 bei einem Unfall sein linkes Handgelenk brach und daraufhin von Juli 2005 bis Oktober 2006 Taggelder von der SUVA bekam (U-act. 8.1.006 S. 9 f. und 32; U-act. 8.1.007 S. 87; U-act. 8.1.017 S. 62; Vi-act. 31 S. 18 Fragen 122 f.). Am 6. November 2006 reichte der Beschuldigte eine Anmeldung zum Bezug von IV-Leistungen ein (U-act. 8.1.006 S. 6 ff.). Als Grund für seine Anmeldung gab der Beschuldigte Rückenprobleme und den Bruch der linken Hand an (U-act. 8.1.006 S. 11). Mit Schreiben vom 1. November 2006 überwies der damals behandelnde Psychiater Dr. med. H.__ den Beschuldigten an die Klinik S.__ und hielt fest, diagnostisch handle es sich um eine SomatisierungssTürung (U-act. 8.1.006 S. 46). Am 5. März 2007 diagnostizierte die Klinik S.__ nach dem Aufenthalt des Beschuldigten vom 7. November 2006 bis zum 28. Februar 2007 eine komplexe posttraumatische BelastungssTürung (ICD-10:F43.1), eine mittelgradig depressive Episode mit somatischem Syndrom (ICD-10:F32.11) sowie eine anhaltend somatoforme SchmerzsTürung (ICD-10:F45.4). Der Beschuldigte sei nach eigenen Angaben im Irak politisch gegen die Regierung aktiv gewesen und viermal gefoltert worden. Er berichte von Flashbacks, vor allem in der Nacht mit Bildern der Folterungsszenen sowie von sich immer wieder Aufdrängenden Bildern (Intrusionen) von den Kriegsgeschehnissen und von rezidivierenden Albträumen. Es habe sowohl subjektive als auch objektive Beobachtungen der Erhöhten Schreckhaftigkeit und Reizbarkeit (Hyperarousal) gegeben. Aktuell trete die posttraumatische BelastungssTürung immer mehr in den Vordergrund mit Flashbacks, Intrusionen und einer vegetativen übererregtheit. Die schwerwiegende posttraumatische BelastungssTürung und die daraus resultierende chronifizierte Depressivität und anhaltende somatoforme SchmerzsTürung mit bisherigem langfristigen Verlauf würden eher für eine ungünstige Prognose sprechen (U-act. 8.1.006 S. 48 ff.). Der Beschuldigte war in den darauffolgenden Jahren insgesamt sieben Mal in der Klinik S.__ hospitalisiert, wobei die Diagnose keine nennenswerten Änderungen erfuhr (U-act. 8.1.006 S. 122 ff. und 126 ff.; U-act. 8.1.007 S. 45 ff., 49 ff. und 54 ff.; U-act. 8.1.010 S. 11 ff. und 81 ff.).
c) Gutachten von Dr. med. I.__ vom 6. Januar 2008
Die Privatklägerin erteilte Dr. med. I.__ den Auftrag für eine psychiatrische Abklärung (U-act. 8.1.006 S. 61). In seinem Gutachten vom 6. Januar 2008 stätzte sich Dr. med. I.__ auf die von der Privatklägerin zur Verfügung gestellten Unterlagen (diverse Arztberichte, ürztliche Schreiben und Einweisungszeugnisse), die eingeholten Austrittsberichte der Klinik S.__, die psychiatrische Untersuchung vom 30. August 2007 sowie die Laboruntersuchungen vom 30. August 2007 (U-act. 8.1.006 S. 64 ff.) und diagnostizierte ebenso eine posttraumatische BelastungssTürung (ICD-10:F43.1) und eine mittelgradige depressive Episode (ICD-10:F32.1), die Auswirkungen auf die Arbeitsfähigkeit hätten (U-act. 8.1.006 S. 109). Der Gutachter führte aus, beim Beschuldigten lägen die typischen Merkmale einer posttraumatischen BelastungssTürung vor, und zwar das wiederholte Erleben der Traumata in sich Aufdrängenden Erinnerungen (Nachhallerinnerungen, Flashbacks), Träumen und Albträumen, die vor dem Hintergrund eines andauernden Gefühls von Betäubtsein und emotionaler Stumpfheit auftreten würden. Ferner fänden sich Freudlosigkeit sowie Vermeidung von Aktivitäten und Situationen, die Erinnerungen an die Traumata wachrufen könnten. Zudem bestehe ein Zustand von vegetativer übererregtheit mit Vigilanzsteigerung, einer übermässigen Schreckhaftigkeit und SchlafsTürungen. Mit den genannten Symptomen und Merkmalen seien beim Beschuldigten Angst, Depression und Schmerzen verbunden. Der Beschuldigte sei im Gefängnis im Irak inhaftiert gewesen, in welchem er belastenden Ereignissen mit aussergewöhnlicher Bedrohung, die bei fast jedem eine tiefe Verzweiflung hervorrufen würde, ausgesetzt gewesen. Nach der Flucht in die Schweiz habe der Beschuldigte versucht, sich zu integrieren. Es seien jedoch therapieresistente Schmerzen, depressive Beschwerden und schliesslich die typischen Beschwerden einer posttraumatischen BelastungssTürung aufgetreten, die, was nicht unüblich sei, lediglich Jahre nach den erfolgten Traumata aufgetreten seien (U-act. 8.1.006 S. 111).
d) IV-Rente
Mit Verfügung vom 14. Mai 2008 sprach die Privatklägerin dem Beschuldigten eine ganze Invalidenrente und eine Kinderrente für seinen Sohn T.__ Rückwirkend auf den 1. Juli 2006 zu (U-act. 8.1.006 S. 161 f.). Am 2. Juni 2009 sprach die Privatklägerin dem Beschuldigten zudem ab 1. Mai 2009 eine Kinderrente für seinen Sohn U.__ zu (U-act. 8.1.006 S. 172). gestützt darauf erhielt der Beschuldigte auch von der Stiftung Auffangeinrichtung BVG Invaliditätsleistungen ausbezahlt (U-act. 15.1.002 und 15.1.003).
e) Erste Rentenrevision
Anl?sslich der ersten Rentenrevision gab der Beschuldigte am 8. Februar 2010 zusammengefasst an, sein Gesundheitszustand habe sich seit Ende Dezember 2009 verschlechtert, und zwar sowohl Körperlich als auch psychisch (U-act. 8.1.006 S. 179 ff.). Dr. med. H.__ hielt in seinem Arztbericht vom 13. Februar 2010 fest, der Beschuldigte sei zwischen Anfang November 2006 und Mitte September 2008 in insgesamt fänf stationüren Aufenthalten in der Klinik S.__ gewesen. Es habe sich keine nennenswerte Befundnderung gegenüber der letzten Begutachtung durch Dr. med. I.__ bzw. der letzten stationüren Behandlung in der Klinik S.__ ergeben. Zusammengefasst sei die derzeitige Befundlage einem chronischen Residuum bei rezidivierender Depression auf dem Boden einer posttraumatischen BelastungssTürung zuzuordnen (U-act. 8.1.006 S. 184 f.). Sodann ging auch der Vertrauensarzt des regionalen ürztlichen Dienstes (RAD) in seinem Bericht vom 1. März 2010 weiterhin von einer 100 prozentigen Arbeitsunfähigkeit aus (U-act. 8.1.006 S. 194). Am 3. März 2010 teilte die Privatklägerin dem Beschuldigten mit, dass weiterhin Anspruch auf die bisherige ganze Invalidenrente bestehe (U-act. 8.1.006 S. 195).
f) Zweite Rentenrevision
Anl?sslich der zweiten Rentenrevision gab der Beschuldigte am 12. Oktober 2012 an, in den letzten Jahren seien keine VerÄnderungen im Gesundheitszustand eingetreten (U-act. 8.1.007 S. 21 ff.). Dr. med. V.__, bei dem der Beschuldigte seit 19. Januar 2012 in psychiatrischer Behandlung war (U-act. 8.1.007 S. 42), führte in seinem Verlaufsbericht vom 19. November 2012 aus, es gebe keine änderung der Diagnose. Der Beschuldigte komme einmal im Monat zu ihm ins Gespräch, er sei freudlos, affektlos, klagsam und zeige auch sonst deutliche Zeichen der schweren Traumatisierung (U-act. 8.1.007 S. 26 f.). Die Privatklägerin holte zudem weitere Verlaufsberichte der Klinik S.__ ein (U-act. 8.1.007 S. 43 ff.) und ersuchte am 3. Mai 2013 bzw. 13. Juni 2013 beim Bundesamt für Migration um Einsicht in sämtliche Migrationsakten (U-act. 8.1.007 S. 37; U-act. 8.1.007 S. 59). Gemäss Stellungnahme Bekämpfung Versicherungsmissbrauch (BVM) der Privatklägerin vom 23. Oktober 2013 Müssten die anlässlich der Begutachtung bei Dr. med. I.__ berichteten Ereignisse und damit die gesamte Krankheitsgeschichte und die daraus resultierenden Diagnosen aufgrund der Aktenlage in höchstem Masse angezweifelt werden (U-act. 8.1.007 S. 97 f.). In der Folge ordnete die Privatklägerin eine Observation an und der Beschuldigte wurde gemäss Observationsbericht im Zeitraum vom 17. Dezember 2013 bis 5. April 2014 an drei Tagen observiert (U-act. 8.1.015). Zudem liess die Privatklägerin gleichzeitig auch eine Internetrecherche vornehmen (U-act. 8.1.016). Laut Stellungnahme BVM vom 18. Juni 2014 würden die Observationsunterlagen in keinster Art und Weise eine behinderungsbedingte Einschränkung Körperlicher psychischer Art zeigen. Der Beschuldigte zeige sich sehr kontaktfreudig, scheine sozial zumindest unter Landsleuten sehr gut integriert zu sein, sei politisch überaus stark engagiert und gut vernetzt. Die geltend gemachten körperlichen und insbesondere psychischen Beeinträchtigungen ständen in Völligem Widerspruch zum gezeigten Verhalten anlässlich der Observation und insbesondere zu den vorliegenden Bilddokumentationen und Videoaufnahmen gemäss Internetrecherchen und Müssten als nicht glaubwürdig und nachvollziehbar bezeichnet werden (U-act. 8.1.007 S. 100). Gemäss Stellungnahme des RAD-Arztes vom 2. Juli 2014 lasse sich das Vorhandensein einer psychiatrischen STürung aus der Observation nicht widerlegen. Die Abläufe der Observation würden sogar eher für das Vorhandensein einer psychischen Erkrankung sprechen. Ein anderes Bild zeige die Internetrecherche. Hier präsentiere sich der Beschuldigte als sozial in seinem Kulturkreis gut integriert, lebhaft, auch frühlich, an Festen teilnehmend, tanzend, mit vielen Sozialkontakten und grossem Bekanntenkreis (U-act. 8.1.007 S. 103). Die Privatklägerin sistierte daraufhin mit Verfügung vom 4. Juli 2014 die IV-Rente zusammengefasst mit der Begründung, dass bei den Internetrecherchen und der Observation keine offensichtlichen Behinderungen Einschränkungen weder Körperlicher noch psychischer Art hätten festgestellt werden können und die geltend gemachten körperlichen und psychischen Beeinträchtigungen dazu im Widerspruch ständen. Zudem sei die Tatsache widersprächlich, dass sich der Beschuldigte gemäss den Akten der Staatsanwaltschaft im Jahr 2010 zusammen mit seiner Familie für drei Wochen im Irak aufgehalten habe, obwohl er anlässlich der Asylbefragung angegeben habe, dass eine Rückkehr in seine Heimat ausgeschlossen sei (U-act. 8.1.007 S. 105 f.). Zur weiteren Abklärung ordnete die Privatklägerin am 10. Juli 2014 eine psychiatrische Untersuchung durch Dr. med. Q.__ an (U-act. 8.1.007 S. 109 f.).
g) Gutachten von Dr. med. Q.__ vom 5. März 2015
In seinem Gutachten vom 5. März 2015 diagnostizierte Dr. med. Q.__ eine ?[r]ezidivierende depressive STürung, gegenwürtig remittiert F33.4 DD Z.n. mehreren AnpassungssTürungen mit depressiver Reaktion F43.2, den Verdacht auf nichtorganische Insomnie (ICD-10:F51.0) sowie eine anhaltende somatoforme SchmerzsTürung (ICD-10:F45.4), die allesamt keinen Einfluss auf die Arbeitsfähigkeit hätten (U-act. 8.1.008 S. 74). In den Berichten über die erste und zweite Hospitalisation in der Klinik S.__ werde keine Symptomatik beschrieben, welche die Diagnose einer posttraumatischen BelastungssTürung rechtfertigen würde. Bei den Ausführungen im Gutachten von Dr. med. I.__ vom 6. Januar 2008 würden die Kriterien einer posttraumatischen BelastungssTürung nur teilweise beachtet, insbesondere finde sich keine Erklärung dafür, weshalb beim Beschuldigten die traumarelevanten Symptome mit einer Latenz von mehreren Jahren und nicht, wie es für die Diagnose einer posttraumatischen BelastungssTürung notwendig sei, binnen sechs Monaten nach dem traumatisierenden Ereignis aufgetreten seien. Ferner würden keine konkreten Einschränkungen genannt, welche die Arbeitsfähigkeit des Beschuldigten herabsetzen würden. Es werde lediglich ausgefährt, die Arbeitsfähigkeit sei aufgrund von Symptomen der posttraumatischen BelastungssTürung herabgesetzt. Es finde keine Auseinandersetzung mit der Tatsache statt, dass der Beschuldigte nach der Einreise in die Schweiz an mehreren Arbeitsstellen tätig gewesen sei und erst nach wiederholten Kündigungen und dem vermehrten Aufkommen von Schmerzbeschwerden die Anbindung an das Arbeitsleben verloren habe (U-act. 8.1.008 S. 75). Die Diagnose einer komplexen posttraumatischen BelastungssTürung sei nicht ICD-10-konform. Die Dokumentation aus der Behandlung in der Klinik S.__ lasse auf einen inflationüren Gebrauch des Traumabegriffes sowie eine nicht kriteriengeleitete Diagnostik einer traumarelevanten STürung schliessen. Es könne vor allem nicht geklürt werden, ob der Beschuldigte überhaupt relevanten Traumatisierungen ausgesetzt worden sei. Weder bei seinen Befragungen während des Asylverfahrens noch in der aktuellen Untersuchung sei eine Schilderung von Ereignissen erfolgt, die das A-Kriterium einer posttraumatischen BelastungssTürung erFällen würden, also Ereignissen, die bei den meisten Menschen das Gefühl des tiefen Entsetzens hervorrufen würden wie Kriegsereignisse, Naturkatastrophen dergleichen. Der Beschuldigte habe in der aktuellen Untersuchung vielmehr in positiven Tnen seine angebliche tätigkeit in einer paramiliTürischen Einheit in seinem Heimatland geschildert. Seinen Angaben nach sei die Flucht aus dem Heimatland aus Sachzwängen wie drohender Verhaftung erfolgt. über eine verhängte langjöhrige Haftstrafe habe in der aktuellen Untersuchung nichts Klürendes in Erfahrung gebracht werden können (U-act. 8.1.008 S. 76). Die Abklärungen im Asylverfahren zeitnah zur Einreise des Beschuldigten würden das Vorliegen von relevanten politischen Asylmotiven nicht bestätigen und liessen überdies auch an viel weniger dramatischen Angaben des Beschuldigten, als er in der IV-Abklärung getätigt habe, erhebliche Zweifel aufkommen (U-act. 8.1.008 S. 76). Es wäre zu erwarten gewesen, dass der Beschuldigte seine Geschichte inklusive Folterungen bereits im Asylverfahren offengelegt hätte und so sehr viel wahrscheinlicher zu dem gewünschten Ergebnis, Nämlich der Anerkennung als Asylsuchender, gekommen wäre (U-act. 8.1.008 S. 76 f.). Ferner falle auf, dass der Beschuldigte in keinem Bericht mit einem Vollbild einer posttraumatischen BelastungssTürung beschrieben, die Diagnose jedoch von Bericht zu Bericht übernommen worden sei (U-act. 8.1.008 S. 77). Sodann führt der Gutachter in seiner Beurteilung aus: Wurden die Angaben des Versicherten im Asylverfahren nach eingehender Prüfung als realitätsfern eingestuft, so kann vermutet werden, dass der Versicherte auch im Rahmen des IV-Verfahrens realitätsferne Angaben tätigte, welche diesmal jedoch nicht gepröft werden konnten (U-act. 8.1.008 S. 78). Das Gutachten von Dr. med. I.__ vom 6. Januar 2008 sei in Unkenntnis der Dokumentation aus dem Asylverfahren erstellt worden. Es erscheine sehr wahrscheinlich, dass die diagnostische Schlussfolgerung des Gutachtens anders ausgefallen wäre, hätte er von der Dokumentation des Asylverfahrens Kenntnis gehabt (U-act. 8.1.008 S. 78). In der Gesamtschau ergebe sich das Bild eines persönlichkeitsakzentuierten Versicherten, der bei seinem Kontakt mit einer traumatherapeutischen Einrichtung aus nicht nachvollziehbaren Gründen mit einer traumarelevanten STürung diagnostiziert worden sei. Diese Diagnose sei in der von der IV veranlassten psychiatrischen Begutachtung unkritisch übernommen worden und habe zur Berentung des Versicherten gefährt (U-act. 8.1.008 S. 78). Das Vorliegen einer traumarelevanten STürung habe in der aktuellen Untersuchung nicht bestätigt werden können (U-act. 8.1.008 S. 79).
h) Aufhebung und Rückforderung IV-Rente
Mit Vorbescheid vom 25. März 2015 stellte die Privatklägerin in Aussicht, sie beabsichtige, die Invalidenrente des Beschuldigten Rückwirkend per 30. Juni 2013 aufzuheben und die für den Zeitraum vom 1. Juli 2013 bis zum 30. Juni 2014 ausgerichteten Leistungen zurückzufordern (U-act. 8.1.008 S. 105 ff). Der Beschuldigte erhob gegen diesen Vorbescheid am 30. April 2015 Einsprache und beantragte, von einer Aufhebung und Rückforderung der IV-Rente sei abzusehen und es sei ihm weiterhin eine ganze IV-Rente auszurichten (U-act. 8.1.009 S. 3 ff.). Die Privatklägerin verfügte am 18. Juni 2015 die Rückwirkende Aufhebung und die Rückforderung der im besagten Zeitraum ausgerichteten Rentenleistungen (U-act. 8.1.009 S. 23 ff.).
i) Verwaltungsgerichtsverfahren
Dagegen erhob der Beschuldigte am 24. August 2015 Verwaltungsgerichtsbeschwerde (U-act. 8.1.009 S. 33 ff.). Das Verwaltungsgericht wies die Beschwerde mit Entscheid vom 3. März 2016 ab (U-act. 8.1.011 S. 23 ff.). Zur Begründung führte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen aus, der Beschuldigte habe im Asylverfahren nie auch nur ansatzweise vorgebracht, er sei in Gefängnissen im Irak gefoltert worden (U-act. 8.1.011 S. 42 E. 6.4.3). Demgegenüber habe er während seinen Klinik-Aufenthalten in S.__ und gegenüber dem Gutachter Dr. med. I.__ angegeben, er sei im Irak mehrmals gefoltert worden und er leide an Flashbacks bzw. an wiederholtem Erleben von Traumata, was zur Diagnose einer posttraumatischen BelastungssTürung gefährt habe (U-act. 8.1.011 S. 42 E. 6.4.4). Bei derartigen grundlegenden Widersprächen in der Sachdarstellung sei auf die stündige Rechtsprechung abzustellen, wonach bei Divergenzen in der Schilderung des massgebenden Sachverhaltes den ersten, zeitnäher erfolgten Angaben zu einem bestimmten Geschehen praxisgemäss mehr Gewicht beizumessen sei, weil sie in aller Regel zuverlässiger und unbefangener seien als spätere Sachdarstellungen, die bewusst unbewusst von nachträglichen überlegungen (versicherungs-)rechtlicher anderer Art beeinflusst sein können. In diesem Sinne sei auf die Angaben des Beschuldigten, wie sie im Asylverfahren festgehalten worden seien, abzustellen. Die Vorbringen des Beschwerdeführers während der nach dem Asylverfahren erfolgten Aufenthalte in der psychiatrischen Klinik S.__ und während der Abklärungen durch Dr. med. I.__ würden sich insoweit als grundsätzlich unglaubwürdig und falsch erweisen, als der Beschuldigte nachträglich Erinnerungen an selbst erlittene Folterszenen im Irak geltend gemacht habe, die im Asylverfahren nie auch nur ansatzweise angesprochen worden seien. Wer im über mehrere Jahre dauernden Asylverfahren nie vorbringe, im Heimatland während Gefängnisaufenthalten gefoltert worden zu sein, hingegen solche Erlebnisse nachträglich geltend mache, wenn es um die Gewährung von versicherungsrechtlichen Ansprüchen gehe, offenbare ein offensichtlich diskrepantes Verhalten, das im IV-rechtlichen Leistungsverfahren keinen Rechtsschutz verdiene. Es sei nicht einzusehen, weshalb der Beschuldigte solche Folterungen im Irak im damaligen Asylverfahren hätte verschweigen sollen, aber im späteren sozialversicherungsrechtlichen Verfahren zur Auslösung von Versicherungsleistungen kein Anlass mehr bestanden hätte, solche Erlebnisse nicht mehr geheim zu halten (U-act. 8.1.011 S. 42 f. E. 6.5).
j) Strafuntersuchung
Am 18. Oktober 2016 erhob die Privatklägerin Strafanzeige gegen den Beschuldigten (U-act. 8.1.001). Die Staatsanwaltschaft befragte den Beschuldigten am 2. September 2019 (U-act. 10.1.001). Im Wesentlichen bestätigte der Beschuldigte die gegenüber Dr. med. I.__ gemachten Angaben (U-act. 10.1.001 S. 3 f. und 8 f.). Angesprochen auf die Widerspräche zu seinen Aussagen im Asylverfahren gab er an, er Möchte dazu nichts sagen bzw. er könne darüber nicht reden (U-act. 10.1.001 S. 5 f. und 9 f.). Ferner sagte er aus, er sei nur zweimal in den Irak gereist, weil er dort eine Namensänderung habe machen müssen (U-act. 10.1.001 S. 7). Im Jahr 2010 sei er in die Türkei gereist und nicht in den Irak (U-act. 10.1.001 S. 7). Im Jahr 2013 sei er ohne Ehefrau und Kinder nach Erbil gefahren und habe dort einen Anwalt zur Beschaffung notwendiger Dokumente beauftragt. Er sei zwei Wochen dort gewesen (U-act. 10.1.001 S. 7). Er habe naTürlich Angst gehabt, aber das zuständige Konsulat habe ihm zugesichert, dass er keine Angst haben müsse, weil der Nordirak autonom sei. Er habe die Dokumente beim Konsulat in der Schweiz besorgen wollen, das sei aber nicht gegangen. Deshalb habe er in den Irak reisen müssen (U-act. 10.1.001 S. 7). Der Irak sei geteilt. Für ?Notfallsachen? müsse man in den Nordirak gehen. Er sei seit 1997 nicht mehr in Bagdad gewesen. Die Dokumente habe er gebraucht, damit er seine Kinder in Frankreich sehen könne (U-act. 10.1.001 S. 8). Zudem befragte die Staatsanwaltschaft am 29. Oktober 2019 W.__, den ehemaligen Arbeitgeber des Beschuldigten (U-act. 10.1.002). Am 11. März 2020 erhob die Staatsanwaltschaft Anklage beim Strafgericht Schwyz (Vi-act. 1).
k) Erstinstanzliches Verfahren
Die Vorinstanz befragte als Zeugen Dr. med. H.__, bei dem der Beschuldigte von November 2005 bis Dezember 2011 in psychiatrischer Behandlung war und der ihn anfangs November 2006 an die Klinik S.__ überwies, sowie die Ex-Frau des Beschuldigten, G.__ (Vi-act. 31).
aa) Befragung von Dr. med. H.__
Dr. med. H.__ gab an der erstinstanzlichen Hauptverhandlung im Wesentlichen an, der Beschuldigte habe ihm und den Kliniken berichtet, dass er in seinem Heimatland misshandelt worden sei, deshalb sei man auf die Diagnose posttraumatische BelastungssTürung gekommen. Die psychiatrische Polyklinik habe sämtliche Kriterien aufgelistet. Dies seien Experten ebenso wie die Klinik S.__ auch. Er habe daher keine Zweifel gehabt. Dr. med. I.__ habe als psychiatrischer Gutachter alles minutiös erhoben. Die gesamte Vorgeschichte sei dokumentiert (Vi-act. 31 S. 4 Frage 14). Er habe die Einzelheiten betreffend die Ereignisse im Irak nicht mehr im Kopf. Der Beschuldigte sei mehrfach verhaftet und gefoltert worden und habe 1999 unter preküren Umständen aus dem Irak fliehen können (Vi-act. 31 S. 4 Frage 15). Der Beschuldigte habe sehr authentisch gewirkt in dem, was er erlebt habe, weshalb er (Dr. med. H.__) keine Zweifel gehabt habe (Vi-act. 31 S. 5 Frage 17). Es sei seiner Meinung nach gänzlich ausgeschlossen, dass man ein solches Krankheitsbild über Jahre imitieren könne (Vi-act. 31 S. 5 Frage 18). Es leuchte ihm nicht ein, wie man auf die Idee komme, dass der Beschuldigte die Foltererlebnisse erfunden habe. Es handle sich um ein Krankheitsbild, das nicht unmittelbar hic et nunc auftrete, sondern auch mit einer erheblichen Verzögerung auftreten könne. Es sei durchaus möglich, dass das während des Asylverfahrens irgendwie nicht präsent gewesen sei. Es sei auch am Anfang seiner Gespräche mit dem Beschuldigten nicht so präsent gewesen, sondern sei erst durch die vertiefte Exploration in der Klinik S.__ mehr zum Thema geworden (Vi-act. 31 S. 5 Frage 19).
ab) Befragung von G.__
Die Ex-Frau des Beschuldigten, G.__, sagte an der erstinstanzlichen Hauptverhandlung zusammengefasst aus, sie habe den Beschuldigten im November 2004 geheiratet und im Dezember 2011 hätten sie sich getrennt (Vi-act. 31 S. 9 Frage 33). Die Ehe sei sehr schwierig verlaufen (Vi-act. 31 S. 9 Frage 37), sie habe mit dem Beschuldigten nie über sein Leben im Irak sprechen können, er habe das nicht gewollt (Vi-act. 31 S. 9 Fragen 39 ff.). Sie wisse gar nichts über sein Leben im Irak (Vi-act. 31 S. 10 Fragen 46 f.). Sie seien einmal für drei Wochen in den Ferien im Irak gewesen. Es sei zwar ruhiger gewesen und man habe nicht viel mitbekommen vom Krieg, trotzdem habe man aber ein bisschen Angst gehabt, dass etwas passieren könnte (Vi-act. 31 S. 10 Frage 50). Der Beschuldigte habe sich aber normal verhalten, wie zu Hause (Vi-act. 31 S. 10 Frage 52). Er habe ihr nie gesagt, wieso er psychische Probleme habe, er habe immer gesagt, das sei nicht ihr Problem (Vi-act. 31 S. 11 Fragen 56 f.). Sie habe keine Ahnung, ob der Beschuldigte tatsächlich im Irak gefoltert worden sei (Vi-act. 31 S. 11 Frage 59). Sie denke, wenn er wirklich gefordert worden wäre, wären sie nicht dorthin gefahren, um seine Familie zu besuchen (Vi-act. 31 S. 11 Frage 60). Sie habe gedacht, er könne zumindest einer Teilzeitbeschöftigung nachgehen und habe ihm das auch gesagt, aber er habe immer gesagt, er könne nicht arbeiten (Vi-act. 31 S. 11 f. Fragen 63 ff.). Sie habe nie bemerkt, dass er Albträume Flashbacks gehabt habe (Vi-act. 31 S. 12 Fragen 71 f.).
ac) Befragung des Beschuldigten
Der Beschuldigte sagte gegenüber der Vorinstanz aus, er habe im Asylverfahren nicht über die Inhaftierungen und Folterungen gesprochen, weil damals das Saddam-Regime noch da gewesen sei und die Schweiz und ?-sterreich gute Beziehungen zum Irak gehabt hätten. Er habe Angst gehabt, dass man ihn ausliefern würde. später in der Klinik in S.__ hätten sie ihm dann Druck gemacht, darüber zu reden. Nebst der Klinik S.__ habe er niemandem vertraut, um darüber zu sprechen (Vi-act. 31 S. 13 f. Frage 77). Er sei im Jahr 2012 im Nordirak gewesen und habe dort eine Namensänderung vorgenommen (Vi-act. 31 S. 15 Frage 98). Er sei auch drei Wochen mit seiner Frau an der Grenze zur Türkei im Irak gewesen und habe dort seine Familie besucht (Vi-act. 31 S. 15 Frage 99). Er habe immer Angst gehabt, in den Irak zurückzukehren, aber der Nordirak habe nichts mit Bagdad zu tun (Vi-act. 31 S. 15 Frage 100). Er könne indessen nicht dort leben, weil er dort nichts habe (Vi-act. 31 S. 15 f. Frage 101). Seine Familie lebe nicht im Nordirak, sondern in einer Region, die zum Irak Gehöre (Vi-act. 31 S. 16 Frage 102). Er habe mit seiner Ex-Frau nicht über die psychischen Probleme gesprochen. In der Klinik hätten sie ihm gesagt, er dürfe nicht überall darüber reden, das sei nicht gut (Vi-act. 31 S. 16 Frage 106). Ihm gehe es heute schlechter als im Jahr 2006 (Vi-act. 31 S. 17 Frage 113). Er sei im Irak gefoltert worden (Vi-act. 31 S. 18 Frage 125).
l) Urteil des Strafgerichts vom 9. November 2020
Die Vorinstanz verurteilte den Beschuldigten am 9. November 2020 wegen eventualvorsätzlichen gewerbsmässigen Betrugs und erwog zusammengefasst, das Gutachten von Dr. med. Q.__ vom 5. März 2015 basiere auf Informationen, u.a. den Asylakten, Strafakten, Observationen, Internetrecherchen und Arztberichten, die nicht Bestandteil der Früheren Untersuchungen und des Gutachtens von Dr. med. I.__ vom 6. Januar 2008 gewesen seien. Die daraus gewonnenen Erkenntnisse würden nachweislich ein Völlig anderes Bild von den Aussagen und Verhaltensweisen des Beschuldigten gegenüber den behandelnden ürzten und Behörden zeigen. Die Aussagen des Beschuldigten in Bezug auf seine vermeintlichen Erlebnisse (Inhaftierungen und Folterungen), seinen gesundheitlichen Zustand und damit einhergehend die Arbeitsunfähigkeit ständen in deutlichem Widerspruch zu den Erkenntnissen im Gutachten von Dr. med. Q.__ vom 5. März 2015. Diese Widerspräche würden darauf schliessen lassen, dass der Beschuldigte in seinem Heimatland nicht mit derart nachhaltigen Folgen gepeinigt worden sei (angefochtenes Urteil I.3.b). Auch die Tatsache, dass der Beschuldigte mehrmals in den Irak zurückgekehrt sei, lasse darauf schliessen, dass er in seinem Heimatland nicht nachhaltig gepeinigt worden sei und ihm dort auch keine weitreichenden Repressalien drohen würden (angefochtenes Urteil E. I.3.c). Ferner würden die Widerspräche zwischen den Aussagen im Asylverfahren und den Angaben gegenüber der Klinik S.__ in Bezug auf den MiliTürdienst kaum einen anderen Schluss zulassen, als dass der Beschuldigte keinen relevanten MiliTürdienst geleistet habe (angefochtenes Urteil E. I.3.d). Die Vorinstanz führte überdies aus, der Beschuldigte habe sich auch bei den Darstellungen zu seinen politischen Aktivitäten in Widerspräche verwickelt. Hinzu komme, dass nicht einzusehen sei, wieso der Beschuldigte im ganzen Asylverfahren niemals auch nur ansatzweise die Foltererlebnisse thematisiert habe, wo es bei diesem Verfahren doch um den Verbleib in der Schweiz gegangen sei, wogegen es im IV-Verfahren ?bloss? um geldwerte Leistungen gegangen sei. Eher wäre zu erwarten gewesen, so die Vorinstanz, dass diese Erlebnisse bereits im Asylverfahren vorgebracht worden wären (angefochtenes Urteil E. I.3.e). Die widersprächlichen Angaben des Beschuldigten mitsamt den weiteren Beweisen würden eine genügend deutliche Sprache sprechen, sodass auf die Befragung von Zeitzeugen bzw. auf echtzeitliche Beweismittel verzichtet werden könne, was im vorliegenden Fall ohnehin weder verhältnismässig noch notwendig erscheine (angefochtenes Urteil E. I.4). Des Weiteren Müssten gemäss Vorinstanz die typischen Merkmale einer posttraumatischen BelastungssTürung grundsätzlich spätestens sechs Monate nach dem traumatischen Erlebnis auftreten (angefochtenes Urteil E. I.7). Das Vorliegen einer posttraumatischen BelastungssTürung sei jedoch erstmals im Jahre 2007 durch die Klinik S.__ erwähnt worden, also mindestens acht Jahre nach den angeblichen Erlebnissen. Zwar lasse sich nicht von der Hand weisen, dass die geforderten Merkmale einer posttraumatischen BelastungssTürung auch später als innerhalb von sechs Monaten auftreten können. Dass dies indes erst nach mehr als acht Jahren der Fall sein soll, könne praktisch ausgeschlossen werden (angefochtenes Urteil E. I.7.a). Ferner führte die Vorinstanz aus, der ürztliche Befund zu den beiden Narben beim Beschuldigten besage lediglich, dass die Narbe am Unterschenkel mit einer vor längerer Zeit stattgefundenen Verbrennung und dass die Narbe in der Achselhöhle mit einer Ritzverletzung vereinbar sei. Aus diesem Befund lasse sich weder eine zeitliche noch eine inhaltliche Zuordnung herleiten. Allfällige Foltererlebnisse würden mehr als 20 Jahre seit dieser Untersuchung zurückliegen, womit diese Narben durchaus auch (viel) später und unter Völlig anderen Umständen hätten entstanden sein können (angefochtenes Urteil E. I.10). Die Vorinstanz erachtete gegenüber dem medizinischen Fachpersonal geäusserte Beschwerden als besondere betRügerische Machenschaften des Beschuldigten und erwog diesbezüglich, ohne indessen konkrete Beispiele zu nennen, er habe keinen Aufwand gescheut, sich gegenüber ürzten und Behörden als leidgeplagtes Folteropfer mit posttraumatischer BelastungssTürung zu inszenieren. Damit habe er arglistig gehandelt (angefochtenes Urteil E. 14.b).
m) Berufungsverfahren
An der Berufungsverhandlung wurden die aktuelle Psychiaterin des Beschuldigten, Dr. med. J.__, und Dr. med. Q.__ als Zeugen befragt (KG-act. 19).
aa) Befragung von Dr. med. J.__
Dr. med. J.__ sagte im Wesentlichen aus, der Beschuldigte leide an einer schweren psychischen Erkrankung, zum einen handle es sich um TraumafolgesTürungen und zum anderen um depressive Zustände (KG-act. 19 S. 4 Frage 6). Der Beschuldigte habe ihr von seiner Vergangenheit erzählt (KG-act. 19 S. 5 Frage 15). Er habe erzählt, wie er im Irak aufgewachsen sei und wie er zum Geheimdienst ins MiliTür rekrutiert worden sei. Er habe von verschiedenen Erfahrungen berichtet, von Befehlsverweigerungen, wegen denen er ins Gefängnis gekommen sei, von verschiedenen Gefängnisaufenthalten, von Folter und von seiner Flucht über die Türkei in die Schweiz. Er habe dies sehr detailgetreu und sehr kongruent beschrieben. Seine Beschreibungen hätten sich in den letzten vier Jahren immer entsprochen und es habe keine Divergenzen gegeben (KG-act. 19 S. 5 Frage 16). Er habe detailliert von den Folterungen erzählt, z.B. davon, dass er mit kaltem Wasser überschättet worden sei als er ins Gefängnis gekommen und nackt ausgezogen worden sei, dass er nichts zu essen und zu trinken erhalten habe. Eine andere Situation sei gewesen, als er mit anderen Mitgefangenen in einer Halle gewesen sei und die Würter hereingekommen seien und sie ausgepeitscht hätten. Die Würter hätten dann die Forderung gestellt, sie Müssten miteinander einen Turm bis zur Decke bauen, dann würden sie in der Nacht in Ruhe gelassen werden (KG-act. 19 S. 5 Frage 17). Dr. med. J.__ bestätigte zudem auf Nachfrage, dass ein weiteres Beispiel das Einsperren in einer Zelle gewesen sei, die nur einen Meter hoch gewesen sei. Der Beschuldigte habe zudem sehr detailliert erZählen können, in welchen Gefängnissen er gewesen sei, weil er durch Gerusche, die er wahrgenommen habe, gewusst habe, wo er sei (KG-act. 19 S. 5 Frage 18). Die Kriterien für eine posttraumatische BelastungssTürung seien zum einen Flashbacks, das heisse das Wiedererleben von Zuständen und Erfahrungen, als wären sie jetzt real, und zum anderen das Hyperarousal, also eine Erhöhte Schreckhaftigkeit bzw. Anspannung, die Flashbacks auslösen könne. In der Klinik S.__ habe es solche Situationen gegeben, in denen der Beschuldigte bei gewissen Geruschen dissoziiert und in den Zustand dieser Traumatisierungen hineingetreten sei (KG-act. 19 S. 6 Frage 20). Beim Beschuldigten liege sicher eine TraumafolgesTürung vor. Sowohl die Flashbacks als auch das Hyperarousal seien vorhanden. Dies seien Kriterien für eine posttraumatische BelastungssTürung (KG-act. 19 S. 6 Frage 21). In den neuen Diagnosekriterien bestehe keine zeitliche Begrenzung mehr, bis die STürungen auftreten dürfen. Man habe herausgefunden, dass die STürungen manchmal erst über Jahre hinweg durch irgendein Ereignis jemanden zusammenbrechen lassen würden und dann kämen die Traumatisierungen wieder hervor. Es könne jemand über Jahre funktionsfähig gewesen sein und dann gebe es durch ein Ereignis einen Zusammenbruch, psychisch und Körperlich (KG-act. 19 S. 6 Frage 22). Anfang diesen Jahres seien die ICD-11 Diagnosekriterien offiziell in Kraft getreten (KG-act. 19 S. 6 Frage 23). Es sei daher durchaus möglich, dass die Merkmale einer posttraumatischen BelastungssTürung wie im Fall des Beschuldigten erst Jahre später auftreten würden (KG-act. 19 S. 7 Fragen 24 f.).
ab) Befragung von Dr. med. Q.__
Dr. med. Q.__ sagte aus, er teile die Meinung von Kollegen sowohl im stationüren als auch ambulanten Rahmen sowie des Vorgutachters Dr. med. I.__ nicht, dass eine posttraumatische BelastungssTürung vorliege. Zum einen sei unklar, ob das ?A-Kriterium? nach ICD-10, also das Ausgesetztsein an einem hinreichend traumatisierenden Ereignis, vorliege (KG-act. 19 S. 10 Frage 8). Zudem müsse gestützt auf die Klassifikation nach ICD-10 die Symptomatik innert sechs Monaten seit den traumatischen Ereignissen auftreten. Dies lasse sich weder den Schilderungen des Beschuldigten noch den Akten entnehmen (KG-act. 19 S. 19 Frage 8). Eine komplexe posttraumatische BelastungssTürung sei zudem in der gültigen Klassifikation nach ICD-10 nicht aufgefährt. Sie werde aller Voraussicht nach in der nächsten Version ICD-11 aufgefährt sein. Die Einführung dieses Klassifikationssystems ab 2022 sei jedoch rein formeller Natur. Es gebe keine originale Version dieser Klassifikation auf Deutsch. Sie existiere auf Englisch, Chinesisch, Spanisch und in zwei weiteren Sprachen, an die er sich gerade nicht erinnern könne. Die übersetzung der Klassifikation auf Deutsch dauere seines Wissens noch mindestens fänf Jahre (KG-act. 19 S. 10 Frage 8). Zudem Gehöre zum Bild einer posttraumatischen BelastungssTürung zwangsläufig ein Vermeiden. Demnach sei die Reise des Beschuldigten in sein Heimatland unmöglich mit einer derart schweren Traumatisierung vereinbar. Eine Person, die eine derart schwere Symptomatik aufweise, würde sTürungsbedingt nicht im Stande sein, sich freiwillig an diesen Ort zu begeben (KG-act. 19 S. 10 f. Frage 8 f.). Es sei möglich, dass der Beschuldigte die ürzte in S.__ über die gesamte Dauer hinweg getäuscht habe (KG-act. 19 S. 11 Frage 12). Die Widerspräche mit den Akten aus dem Asylverfahren seien erheblich gewesen (KG-act. 19 S. 12 Frage 15). Die Akten des Asylverfahrens seien wichtig gewesen, aber die Schilderungen des Beschuldigten in Bezug auf die traumatischen Erlebnisse seien derart nebulös und inkonklusiv gewesen, dass es unwahrscheinlich sei, dass er ohne die Akten zu einem anderen Schluss gekommen wäre (KG-act. 19 S. 13 Frage 18).
ac) Befragung des Beschuldigten
An der Berufungsverhandlung vom 1. Februar 2022 sagte der Beschuldigte zusammengefasst aus, er sei von Dr. med. Q.__ nicht korrekt behandelt worden (KG-act. 19 S. 16 Fragen 17 f.). Er habe in der ersten Minute seinen Anwalt angerufen und ihm gesagt, der Gutachter provoziere ihn und wolle ihn reinlegen. Nach zwei Stunden habe der Gutachter zu ihm gesagt, sie würden einen Dolmetscher brauchen. Dieser habe dann beim zweiten Treffen aber gar nicht gesprochen, weil er (der Beschuldigte) alles selbst verstanden habe (KG-act. 19 S. 17 Fragen 19 ff.). Als er ihm gesagt habe, er solle bitte in die Akten der Klinik S.__ schauen, habe der Gutachter gesagt, die in S.__ hätten keine Ahnung. Da habe er gewusst, dass der Gutachter ihn provoziere und gar nicht über seine Gesundheit sprechen wolle (KG-act. 19 S. 19 Frage 38). Dr. med. Q.__ habe nur kurz gefragt, was passiert sei und in welchem Gefängnis er gewesen sei, mehr habe er nicht gefragt (KG-act. 19 S. 22 Frage 69). Er habe den ürzten in S.__ immer die Wahrheit gesagt (KG-act. 19 S. 18 Frage 31). Der erste Gutachter, Dr. med. I.__, habe ihn gut behandelt und ihm korrekt alle Fragen gestellt. Er habe alles beantwortet (KG-act. 19 S. 18 Frage 36). Im Asylverfahren habe er nicht alles erzählt, um seine Familie im Irak zu Schätzen (KG-act. 19 S. 19 Fragen 40 ff.). Er habe erst nach drei Jahren mit seiner Familie Kontakt aufgenommen und diese habe ihm gesagt, dass die Regierung vorbeigekommen sei und immer gefragt habe, ob sie etwas über seinen Verbleib wisse. Da habe er gewusst, er habe es richtig gemacht, dass er so lange keinen Kontakt mit seiner Familie aufgenommen habe (KG-act. 19 S. 19 f. Fragen 47 f.). Er habe Angst gehabt, dass die Schweiz ihn an das Regime von Saddam Hussein ausliefere (KG-act. 19 S. 20 Fragen 48 f.). Er sei im Irak in drei bis vier Jahren während sechs Monaten mit Unterbrächen gefoltert worden. Die hätten ihn abgeholt, ihn psychisch terrorisiert und geschlagen. Er sei monatelang in eine Zelle gesperrt gewesen, die nur einen Meter hoch gewesen sei und sie hätten ihn aufgehängt (KG-act. 19 S. 20 Frage 55). Er sei gefoltert worden, weil er Befehle verweigert habe (KG-act. 19 S. 21 Fragen 57 ff.). Es sei bei den meisten Irakern so, dass ihr Asylgesuch in der Schweiz abgelehnt werde (Kg-act. 19 S. 21 Frage 61). Er habe im Asylverfahren nicht über die Folterungen sprechen wollen, weil er Angst gehabt habe. Wenn das Regime erfahren hätte, dass er gegen das Regime sprach, hätten sie seiner Familie ihm schaden können (KG-act. 19 S. 21 Frage 62). Er habe in der Klinik in S.__ das erste Mal darüber gesprochen. Da habe er Vertrauen aufgebaut (KG-act. 19 S. 22 Frage 66). Er könne und dürfe aber nicht mit allen Personen darüber sprechen. Es gehe nicht, dass er auf der Station mit anderen Patienten darüber spreche (KG-act. 19 S. 22 Frage 67).
2. Rechtliches
a) Des Betrugs im Sinne von Art. 146 Abs. 1 StGB macht sich schuldig, wer in der Absicht, sich einen andern unrechtmässig zu bereichern, jemanden durch Vorspiegelung UnterdRückung von Tatsachen arglistig irreführt ihn in einem Irrtum arglistig besTürkt und so den Irrenden zu einem Verhalten bestimmt, wodurch dieser sich selbst einen andern am Vermögen schädigt. Angriffsmittel beim Betrug ist die Täuschung. Als Täuschung gilt jedes Verhalten, das darauf gerichtet ist, bei einem andern eine von der Wirklichkeit abweichende Vorstellung hervorzurufen (BGE 140 IV 11 E. 2.3.2; 135 IV 76 E. 5.1 mit Hinweisen). Sie ist eine unrichtige Erklärung über Tatsachen, d.h. über objektiv feststehende, vergangene gegenwürtige Geschehnisse Zustände (BGE 135 IV 76 E. 5.1). Die Täuschungshandlung muss arglistig sein. Arglist ist gegeben, wenn der täter ein ganzes lägengebäude errichtet sich besonderer Machenschaften Kniffe bedient. Bei einfachen falschen Angaben ist das Merkmal erfüllt, wenn deren überPrüfung nicht nur mit besonderer Mühe möglich nicht zumutbar ist, sowie dann, wenn der täter den Getäuschten von der möglichen überPrüfung abhält nach den Umständen voraussieht, dass dieser die überPrüfung der Angaben aufgrund eines besonderen Vertrauensverhältnisses unterlassen werde. Mit dem Tatbestandsmerkmal der Arglist verleiht das Gesetz dem Gesichtspunkt der Opfermitverantwortung wesentliche Bedeutung. Arglist scheidet aus, wenn der Getäuschte den Irrtum mit einem Mindestmass an Aufmerksamkeit hätte vermeiden können. Dabei sind die jeweilige Lage und die Schutzbedürftigkeit des Betroffenen im Einzelfall entscheidend. (BGE 142 IV 153 E. 2.2.2; 135 IV 76 E. 5.2 mit Hinweisen).
b) Gemäss der in Art. 10 Abs. 1 StPO, Art. 32 Abs. 1 BV, Art. 6 Ziff. 2 EMRK sowie Art. 14 Abs. 2 IPBPR verankerten Unschuldsvermutung gilt jede beschuldigte Person bis zum Nachweis ihrer Schuld als unschuldig. Aus der Unschuldsvermutung folgt als Beweislastregel, dass es nicht Sache der beschuldigten Person ist, ihre Unschuld zu beweisen, sondern dass die AnklageBehörde die Schuld der angeklagten Person zu beweisen hat (Tophinke, in: Niggli/Heer/Wiprächtiger [Hrsg.], Basler Kommentar, Schweizerische Strafprozessordnung, Bd. I, 2. A., 2014, Art. 10 StPO N 19; Wohlers, in: Donatsch/Lieber/Summers/Wohlers [Hrsg.], Kommentar zur Schweizerischen Strafprozessordnung, StPO, Bd. I, 3. A., 2020, Art. 10 StPO N 6). Demzufolge trägt der Staat die Folgen der Beweislosigkeit, wenn der Schuldbeweis misslingt, d.h. die beschuldigte Person ist freizusprechen (Grundsatz in dubio pro reo; Wohlers, a.a.O., Art. 10 StPO N 9; Tophinke, a.a.O., Art. 10 StPO N 19). Nach dem Grundsatz in dubio pro reo als BeweisWürdigungsregel geht das Gericht von der für die beschuldigte Person günstigeren Sachlage aus, wenn unüberwindliche Zweifel, d.h. solche, die sich nach der objektiven Sachlage Aufdrängen, und nicht bloss abstrakte und theoretische Zweifel daran bestehen, dass die tatsächlichen Voraussetzungen der angeklagten Tat erfüllt sind (Art. 10 Abs. 3 StPO, Art. 32 Abs. 1 BV und Art. 6 Ziff. 2 EMRK; BGE 138 V 74 E. 7; BGE 143 IV 214 nicht publ. E. 13.1). Indessen findet der Grundsatz auf die Frage, welche Beweismittel zu berücksichtigen und wie sie gegebenenfalls zu würdigen sind, keine Anwendung. Bei sich widersprechenden Beweismitteln stellt das Gericht nicht unbesehen auf den für den Angeklagten günstigeren Beweis ab, sondern der Grundsatz in dubio pro reo kommt nur zur Anwendung, wenn nach erfolgter BeweisWürdigung als Ganzem relevante Zweifel verbleiben (BGE 143 IV 214 nicht publ. E. 13.1 m.w.H.; BGer, Urteil 6B_804/2017 vom 23. Mai 2018, E. 2.2.3.1 f.). Die BeweisWürdigung als solche wird vom Grundsatz der freien und umfassenden BeweisWürdigung beherrscht (Art. 10 Abs. 2 StPO; BGer, Urteil 6B_804/2017 vom 23. Mai 2018 E. 2.2.3.1; Hofer, in: Niggli/Heer/Wiprächtiger [Hrsg.], Basler Kommentar, Schweizerische Strafprozessordnung, Bd. I, 2. A., 2014, Art. 10 StPO N 41 ff.).
3. Parteivorbringen
a) In Bezug auf den objektiven Tatbestand führte die Staatsanwaltschaft in der Anklage zusammengefasst aus, der Beschuldigte habe anlässlich seiner ersten Hospitalisierung in der S.__ Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie vom 7. November 2006 bis zum 28. Februar 2007 gegenüber Dr. med. K.__ (Vi-act. 1 Ziff. 2.1.1), bei der ersten psychiatrischen Begutachtung vom 30. August 2007 gegenüber Dr. med. I.__ (Vi-act. 1 Ziff. 2.1.2), im Rahmen der 1. und 2. Rentenrevision gegenüber der Privatklägerin (Vi-act. 1 Ziff. 2.1.3 und 2.1.5), anlässlich seiner psychiatrischen Behandlungen gegenüber Dr. med. H.__ und Dr. med. V.__ (Vi-act. 1 Ziff. 2.1.4 und 2.1.6), bei der zweiten psychiatrischen Begutachtung vom 22. September 2014 bzw. 3. November 2014 gegenüber Dr. med. Q.__ (Vi-act. 1 Ziff. 2.1.7) sowie im Zeitraum vom 6. November 2006 bis zum 3. November 2014 gegenüber der Privatklägerin bzw. der X.__ (Vi-act. 1 Ziff. 2.1.8) seinen psychischen Gesundheitszustand schlechter dargestellt, als dieser tatsächlich gewesen sei und wahrheitswidrige Geschichten über seine Vergangenheit im Irak erzählt, die zur Diagnose einer posttraumatischen BelastungssTürung geeignet gewesen seien (Vi-act. 1 Ziff. 2.1.9).
Die Staatsanwaltschaft konkretisiert in der Anklage nicht genauer, inwiefern der Beschuldigte seinen Gesundheitszustand schlechter dargestellt bzw. welche wahrheitswidrigen Geschichten er über seine Vergangenheit im Irak erzählt haben soll. Aus der Befragung des Beschuldigten an der Einvernahme vom 2. September 2019 (U-act. 10.1.001) sowie aus dem Plädoyer der Staatsanwaltschaft im erstinstanzlichen Verfahren (Vi-act. 31) geht indessen hervor, dass sie dem Beschuldigten im Wesentlichen vorwirft, zu Unrecht angegeben zu haben, er sei im Irak mehrmals inhaftiert und gefoltert worden. Sodann habe er gestützt auf diese Falschangaben wahrheitswidrig angegeben, an Albträumen und Flashbacks zu leiden. Zu prüfen ist also, ob der Beschuldigte die genannten ürzte und SozialversicherungstRüger täuschte, indem er wahrheitswidrig von Inhaftierungen und Foltererlebnissen im Irak sowie von später wiederkehrenden Albträumen und Flashbacks berichtete.
b) Die Verteidigung führte im Wesentlichen aus, es sei nicht der Beschuldigte gewesen, der gefunden erfunden habe, er leide an einer posttraumatischen BelastungssTürung, sondern dies sei eine Feststellung der Klinik S.__ gewesen (KG-act. 19/2 Rz. 23). Die Akten würden zeigen, dass die Diagnose und die Beurteilung der Arbeitsfähigkeit das Ergebnis von langen und Sorgfältigen Abklärungen gewesen sei (KG-act. 19/2 Rz. 29). Die Vorinstanz habe betreffend den Gesundheitszustand des Beschuldigten auf die Aussagen seiner Ex-Frau abgestellt und die fachkundige Beurteilung von Dr. med. H.__ unbeachtet gelassen. Diese BeweisWürdigung sei nicht nur falsch, sondern willkürlich (KG-act. 19/2 Rz. 38). Auch wenn die Klinik S.__ im Bericht über die vierte Hospitalisation ein gespaltenes Verhalten des Beschuldigten festgestellt habe, bedeute dies nicht, dass der Beschuldigte seinen Gesundheitszustand übertrieben schlecht dargestellt habe (KG-act. 19/2 Rz. 45). Die Klinik habe zudem ausDrücklich festgehalten, dass der Therapieabbruch des Beschuldigten gegen ürztlichen Rat erfolge. Folglich sei die Klinik weiterhin davon ausgegangen, dass der Beschuldigte eine stationüre Behandlung benätigen würde (KG-act. 19/2 Rz. 46). Unklar sei, wer den Bericht zur Observation erstellt habe, jedenfalls sei es kein Arzt gewesen (KG-act. 19/2 Rz. 52). Gemäss RAD könne durch diesen Bericht nicht widerlegt werden, dass der Beschuldigte an einer posttraumatischen BelastungssTürung einem depressiven Syndrom leide. Die Abläufe der Observation würden sogar eher für das Vorhandensein einer psychischen Erkrankung sprechen (KG-act. 19/2 Rz. 53). Weder die Observation noch die Internetrecherche hätten einen Hinweis darauf ergeben, dass der Beschuldigte irgendetwas arbeite, das Ergebnis sei also konsistent mit der ürztlich attestierten Arbeitsunfähigkeit (KG-act. 19/2 Rz. 54). Sowohl die Dokumentation der Y.__ als auch die Einschätzungen von Dr. med. H.__ und Dr. med. V.__ würden zeigen, dass der Beschuldigte seinen Alltag nicht alleine habe bewältigen können, weshalb er noch weniger in der Lage gewesen sei, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen (KG-act. 19/2 Rz. 55). Die Anklage Müsste nachweisen, dass die Tatbestandsmerkmale vor 2008 vorhanden gewesen seien (KG-act. 19/2 Rz. 67). Die von der Anklage herangezogenen Unterlagen würden nicht beweisen, dass der Beschuldigte keinen Anspruch auf eine Invalidenrente gehabt und diese vorsätzlich erschlichen habe. Dr. med. Q.__ führe aus, es könne vermutet werden, dass der Beschuldigte auch im Rahmen des IV-Verfahrens realitätsferne Angaben getätigt habe, wenn seine Angaben im Asylverfahren nach eingehender Prüfung als realitätsfern eingestuft worden seien (KG-act. 19/2 Rz. 69). Eine eingehende Prüfung im Asylverfahren habe aber nicht stattgefunden, sondern die Angaben seien einfach als unglaubwürdig und sowieso ungenügend qualifiziert worden (KG-act. 19/2 Rz. 70). Zudem sei der Schluss von Dr. med. Q.__ unlogisch, weil nicht etwas und dessen Gegenteil unglaubwürdig sein könne (KG-act. 19/2 Rz. 71). Dr. med. Q.__ gehe davon aus, Dr. med. I.__ hätte eine andere diagnostische Schlussfolgerung gezogen, wenn er die Dokumentation aus dem Asylverfahren gekannt hätte. Es sei unklar, woher Dr. med. Q.__ dies wisse, er habe keinen Kontakt mit Dr. med. I.__ aufgenommen, obwohl er dies hätte tun können (KG-act. 19/2 Rz. 74). Entgegen den Behauptungen von Dr. med. Q.__ habe Dr. med. I.__ die Konsistenz der Angaben des Beschuldigten sehr wohl anhand seines Verhaltens während der Schilderungen gepröft (KG-act. 19/2 Rz. 75). Demgegenüber habe Dr. med. Q.__ das in seinem Gutachten nicht gepröft. Er schildere lediglich kursorisch die Abläufe im Irak. Konkrete Foltererlebnisse habe er gar nicht erst erfragt in sein Gutachten aufgenommen (KG-act. 19/2 Rz. 76). Gemäss dem auf der Webseite der WHO publizierten neuen Massstab ICD-11 sei keine Latenzzeit mehr gefordert. Dr. med. Q.__ sei also in seinem Gutachten nicht auf dem aktuellsten Stand der medizinischen Wissenschaft gewesen (KG-act. 19/2 Rz. 81). Die Vorinstanz gehe davon aus, wenn die Gefängnisaufenthalte und die Foltererlebnisse im Irak nicht stimmen würden, könne der Beschuldigte nicht arbeitsunfähig sein. Ein solcher Zusammenhang bestehe indessen nicht. Für den Anspruch auf eine Invalidenrente genüge eine Arbeitsbzw. eine Erwerbsunfähigkeit. Sowohl die behandelnden ürzte als auch der Gutachter hätten dem Beschuldigten aufgrund seiner Probleme eine vollständige Arbeitsunfähigkeit attestiert, und zwar schon bevor die Diagnose der posttraumatischen BelastungssTürung gestellt worden sei (KG-act. 19/2 Rz. 83). Der Beschuldigte sei in den letzten 17 Jahren von etwa einem Dutzend verschiedenen Psychiatern gesehen worden und Dr. med. Q.__ sei der einzige, der den Beschuldigten als vollständig gesund einschätze. Dies werfe die Frage auf, ob Dr. med. Q.__ den Gesundheitszustand des Beschuldigten richtig eingeschältzt habe (KG-act. 19/2 Rz. 89). Die ürzte in S.__ hätten den Beschuldigten deutlich länger gesehen als Dr. med. Q.__. Darum hätten sie auch besser fundierte Einschätzungen abgeben können (KG-act. 19/2 Rz. 92). Das Gutachten von Dr. med. Q.__ vom 5. März 2015 sei im übrigen ein Parteigutachten, das lediglich eine Parteibehauptung darstelle (KG-act. 19/2 Rz. 104 ff.). Das Verwaltungsgericht wende in seinem Urteil die Beweisregel Aussage der ersten Stunde an, die im Unfallversicherungsrecht entwickelt worden sei (KG-act. 19/2 Rz. 130). Aufgrund der anders geregelten Beweislast im Sozialversicherungsrecht könne diese Regel im Strafverfahren jedoch keine Anwendung finden. Eine Verwendung der Begründung des Verwaltungsgerichts führe dazu, dass dem Beschuldigten die Beweislast für seine Unschuld auferlegt werde, was unzulässig sei (KG-act. 19/2 Rz. 128 ff.). Der Beschuldigte habe eine Bestätigung der irakischen Stiftung für politische Gefangene beibringen können, dass er mehrere Male inhaftiert gewesen sei. Damit würden sich die Belege dafür verdichten, dass der Beschuldigte im sozialversicherungsrechtlichen Verfahren die Wahrheit gesagt habe (KG-act. 19/2 Rz. 144 und 148). Der subjektive Tatbestand lasse sich entgegen der Vorinstanz nicht aus den Akten herleiten. Es sei nicht so, dass der Beschuldigte sich bei der IV-Stelle angemeldet und in die Klinik S.__ begeben habe, um dort seine Geschichte der posttraumatischen BelastungssTürung auszubreiten (KG-act. 19/2 Rz. 152). Der Beschuldigte sei davon überzeugt gewesen, er habe ein somatisches Problem. Erst in der Klinik S.__ habe er begonnen, über seine Foltererlebnisse zu erZählen. Er habe diese Erlebnisse jedoch nicht als Problem erkannt, sondern sei weiterhin der Ansicht gewesen, er habe ein somatisches Problem. Es sei die Klinik gewesen, die dem Beschuldigten habe beibringen müssen, dass seine Schmerzen Ausdruck eines innerpsychischen Konflikts seien und er nicht an körperlichen Beschwerden, sondern an einer psychischen STürung leide (KG-act. 19/2 Rz. 157). Auch fehle es an der Arglist. Die Vorinstanz könne nicht darlegen, wie der Beschuldigte wann geschauspielert habe welchen Aufwand er betrieben habe. Die Angaben aus dem Asylverfahren wären zudem einfach überpröfbar gewesen. Schon bei der Anmeldung habe der Beschuldigte die Geschädigte ermächtigt, beim Staatssekretariat für Migration alle gewünschten Auskünfte einzuholen (KG-act. 19/2 Rz. 160 ff. m.H. auf U-act. 8.1.006 S. 13).
c) Die Staatsanwaltschaft führte an der Berufungsverhandlung vom 1. Februar 2022 zusammengefasst aus, der Fall zeichne sich durch komplett divergierende und oft widersprächliche Aussagen und Darstellungen des Beschuldigten gegenüber verschiedensten Personen, Institutionen und Behörden aus. Dr. med. K.__ und Dr. med. I.__ hätten keine Kenntnis der Akten der MigrationsBehörden gehabt und seien daher von der prämisse der wahrheitsgemüssen Aussagen ausgegangen. Ihre Arztberichte und Gutachten seien deshalb Makulatur. Demgegenüber sei Dr. med. Q.__ in seinem Gutachten in Kenntnis der Asylakten zu einem anderen Schluss gekommen. Die einzige plausible Erklärung für die sich stündig verändernden, sich kaum je deckenden und widersprächlichen Angaben des Beschuldigten sei, dass sie eben nicht den Tatsachen entsprächen (KG-act. 19/4 S. 2 f.).
4. Würdigung
a) Der Beschuldigte sagte im Asylverfahren nichts über die Inhaftierungen und Foltererlebnisse aus (vgl. E. 1.a), obwohl dies für sein Asylgesuch zweifelsfrei hätte hilfreich sein können. Seine Erklärung für diese unbestrittene Tatsache, wonach er Angst gehabt habe, weil die Schweiz damals gute Beziehungen zum Regime von Saddam Hussein gehabt habe und der Beschuldigte seine Familie und sich selbst im Falle einer Auslieferung an den Irak habe Schätzen wollen (vgl. E. 1.k.cc und 1.m.cc), überzeugt objektiv betrachtet zwar nicht restlos. Indessen ist ihr Wahrheitsgehalt nicht per se auszuschliessen, bedenkt man die Tatsache, dass der Beschuldigte von einem totaliTüren Regime flüchtette und sein Wissensstand daher bei der Ausreise nicht demjenigen gleichgesetzt werden kann, der von einem Schweizer Bürger erwartet werden könnte. Hinzu kommt, dass die AsylBehörden das Asylgesuch abwiesen, weil sie die im Nachhinein als unvollständig zu bezeichnenden Aussagen des Beschuldigten als zu wenig glaubhaft erachteten (vgl. E. 1.a). Eine Schlussfolgerung gemäss Dr. med. Q.__ in seinem Gutachten vom 5. März 2015, wonach aus dem Umstand, dass die Angaben im Asylverfahren als realitätsfern eingestuft wurden, vermutet werden könne, dass der Beschuldigte auch im Rahmen des IV-Verfahrens realitätsferne Angaben getätigt habe (U-act. 8.1.008 S. 78), hält dem Grundsatz in dubio pro reo nicht stand. Aus den Widersprächen seiner späteren Angaben mit den von den AsylBehörden als nicht glaubhaft erachteten Früheren Aussagen im Asylverfahren kann nicht ohne Weiteres geschlossen werden, dass die späteren Angaben im IV-Verfahren falsch waren. Sodann ist auch die vom Verwaltungsgericht Schwyz im Entscheid vom 3. März 2016 angewandte Beweisregel aus dem Unfallversicherungsrecht, wonach bei widersprächlichen Sachdarstellungen auf die ersten, zeitnäheren Angaben abzustellen sei (vgl. E. 1.i), für das vorliegende Strafverfahren nicht massgebend. Im dortigen Verfahren hatte der Beschuldigte seinen Anspruch auf Sozialversicherungsleistungen zu beweisen. Im vorliegenden Strafverfahren liegt es jedoch nicht an ihm, seine Unschuld zu beweisen und es ist nach dem Grundsatz der freien und umfassenden BeweisWürdigung (Art. 10 Abs. 2 StPO) vielmehr zu prüfen, ob und welche seiner Angaben zu seiner Gesundheit und Arbeitsfähigkeit glaubhaft sind.
b) Die Vorinstanz stätzte sich im angefochtenen Urteil nebst den Widersprächen der Aussagen im IV-Verfahren zu jenen im Asylverfahren wesentlich auf das Gutachten von Dr. med. Q.__ vom 5. März 2015 und erachtete die entsprechenden Schlussfolgerungen als überzeugend (vgl. E. 1.l).
aa) Gemäss Dr. med. Q.__ seien die Kriterien einer posttraumatischen BelastungssTürung im Gutachten von Dr. med. I.__ vom 6. Januar 2008 nur teilweise beachtet worden. Insbesondere finde sich keine Erklärung dafür, weshalb die traumarelevanten Symptome nicht binnen sechs Monaten nach dem traumatisierenden Ereignis aufgetreten seien (vgl. E. 1.g und 1.m.bb). In Bezug auf die Latenzzeit führte demgegenüber Dr. med. J.__ aus, in den neuesten Diagnosekriterien Bestände keine zeitliche Begrenzung mehr, bis die STürungen auftreten dürfen, weil man herausgefunden habe, dass die STürungen manchmal erst über Jahre hinweg hervorkommen würden (E. 1.m.aa). Dass neue Diagnosekriterien seit Anfang 2022 gelten, stellte Dr. med. Q.__ nicht in Abrede, er erklärte aber, die übersetzung der Klassifikation auf Deutsch dauere noch mindestens fänf Jahre (vgl. E. 1.m.bb). Die Frage, ob die Symptome einer posttraumatischen BelastungssTürung innerhalb einer Latenzzeit von sechs Monaten auftreten müssen, ist wissenschaftlicher Natur und hängt nicht davon ab, ob die entsprechenden Diagnosekriterien bereits auf Deutsch übersetzt sind. Nachdem auch Dr. med. Q.__ nicht in Abrede stellte, dass es neue Diagnosekriterien gibt, ist auf diese abzustellen. Gemäss den Angaben von Dr. med. J.__ ist die Latenzzeit somit kein Kriterium mehr, das gegen das Vorliegen einer posttraumatischen BelastungssTürung spricht. überdies erklärten auch Dr. med. I.__ und Dr. med. H.__, dass es durchaus möglich sei, dass die typischen Beschwerden einer posttraumatischen BelastungssTürung erst Jahre nach dem traumatischen Ereignis auftreten (vgl. E. 1.c und 1.k.aa). Aus diesem Grund kann aus dem Umstand, dass die Diagnose beim Beschuldigten erst Jahre später in der Klinik S.__ erstmals gestellt wurde und er zuvor in der Schweiz arbeitete, nicht geschlossen werden, dass die Diagnose falsch gewesen sei und beim Beschuldigten im angeklagten Zeitraum keine posttraumatische BelastungssTürung habe vorliegen können.
ab) Ferner führte Dr. med. Q.__ im Gutachten aus, weder bei den Befragungen des Beschuldigten während des Asylverfahrens noch in der aktuellen Untersuchung sei eine Schilderung von Ereignissen erfolgt, die das A-Kriterium einer posttraumatischen BelastungssTürung erFällen würden, also von Ereignissen, die bei den meisten Menschen das Gefühl des tiefen Entsetzens hervorrufen würden wie etwa Kriegsereignisse, Naturkatastrophen dergleichen (vgl. E. 1.g).
ba) Diesen Feststellungen stehen die Austrittsberichte der insgesamt sieben Hospitalisationen in der Klinik S.__ gegenüber (U-act. 8.1.006/122 ff., 8.1.006/126 ff., 8.1.007/45 ff., 8.1.007/49 ff., 8.1.007/54 ff., 8.1.010/11 ff. und 8.1.010/81 ff.). Gemäss dem Austrittsbericht von Dr. med. K.__ über die erste Hospitalisation vom 7. November 2006 bis zum 28. Februar 2007 habe der Beschuldigte angegeben, im Irak viermal gefoltert worden zu sein und unter Flashbacks mit Bildern der Folterungsszenen zu leiden (U-act. 8.1.006/123). In den therapeutischen EinzelGesprächen seien immer mehr Symptome einer posttraumatischen BelastungssTürung in den Vordergrund getreten. Der Beschuldigte habe über sich immer wieder Aufdrängende Bilder von den traumatischen Ereignissen im Heimatstaat (Intrusionen) sowie Flashbacks berichtet. Ebenfalls habe es sowohl subjektive als auch objektive Beobachtungen der Erhöhten Schreckhaftigkeit und Reizbarkeit (Hyperarousal) gegeben (U-act. 8.1.006/124). In den weiteren Austrittsberichten hielten die behandelnden ürzte unter anderem fest, die posttraumatische BelastungssTürung sei immer mehr in den Vordergrund getreten (U-act. 8.1.006/127) und es handle sich um eine schwere multiple und äusserst komplexe Traumatisierung (U-act. 8.1.007/47). Bei der vierten Hospitalisation vom 2. Juni 2008 bis zum 9. Juli 2008 habe sich der Beschuldigte gespalten gezeigt, indem er sich bei Aktivitäten meist lebhaft gezeigt und gelacht habe, während er in Therapien müde, erschöpft und uninteressiert gewesen sei. Diese vierte Hospitalisation sei auf Wunsch des Beschuldigten und gegen ürztlichen Rat abgebrochen worden, nachdem der Versuch, ein Familiengespräch zusammen mit seiner damaligen Frau durchzuführen, gescheitert sei (U-act. 8.1.007/52). Kurz darauf begab sich der Beschuldigte freiwillig erneut nach S.__ zur Krisenintervention (5. Hospitalisation vom 17. Juli 2008 bis 15. September 2008, U-act. 8.1.007/54 und 57). Gemäss dem Austrittsbericht vom 23. September 2008 sei es dem Beschuldigten schwergefallen, sich auf das Behandlungsangebot einzulassen. In den bezugspflegerischen und psychotherapeutischen EinzelGesprächen sei eine leichte ?-ffnung gelungen und der Beschuldigte habe sich hier als bemühter und engagierter Patient gezeigt, der seine Geschichte und sein Erleben ausführlich geschildert habe (U-act. 8.1.007/57). Gemäss dem Austrittsbericht zur 6. Hospitalisation vom 4. August 2014 bis zum 15. September 2014, habe der Beschuldigte weiterhin durch eine posttraumatische BelastungssTürung mit ausGeprägten, vor allem nächtlichen Intrusionen imponiert. Obwohl sich der Beschuldigte sehr engagiert habe, sei es leider nur ansatzweise gelungen, insbesondere auf die traumabedingte Symptomatik Einfluss zu nehmen. In EinzelGesprächen seien seine Verzweiflung, Hilflosigkeit sowie Schuldgefühle deutlich spürbar gewesen (U-act. 8.1.010/14). Die 7. Hospitalisation fand vom 29. Juni 2015 bis zum 12. August 2015 statt (U-act. 8.1.010/81). Der Beschuldigte habe sich zunehmend integriert und habe motiviert am multidisziplinüren Therapieprogramm teilgenommen. Diagnostisch sei eine rezidivierend depressive STürung, gegenwürtig schwere Episode (ICD-10:F33.2) bei anhaltender somatoformen SchmerzsTürung (ICD-10:F45.4) auf dem Boden einer posttraumatischen BelastungssTürung zu sehen gewesen (U-act. 8.1.010/82). Gemäss diesen Austrittsberichten schilderte der Beschuldigte somit wiederholt traumatische Erlebnisse aus seiner Vergangenheit im Irak, insbesondere Folterszenen. Der Beschuldigte war sodann insgesamt mehr als ein ganzes Jahr in der Klinik S.__. Angesichts dieser langen Zeit erscheint es sehr unwahrscheinlich, dass es dem Beschuldigten möglich gewesen wäre, über eine derart lange Zeit zahlreiche ürzte und Therapeuten mit einer ersonnenen Geschichte zu täuschen, was auch Dr. med. H.__ an der erstinstanzlichen Hauptverhandlung bestätigte (Vi-act. 31 S. 5 Frage 18; vgl. E. 1.k.aa). Viel wahrscheinlicher ist es, dass eine solche Lüge in den zahlreichen Einzel- und GruppenGesprächen aufgeflogen wäre. Somit sprechen die Austrittsberichte der Klinik S.__ einerseits für die Darstellung des Beschuldigten, wonach er tatsächlich traumatischen Erlebnissen im Irak ausgesetzt war, und anderseits dafür, dass der Beschuldigte tatsächlich an einer posttraumatischen BelastungssTürung litt und deshalb arbeitsunfähig war.
bb) Der Frühere psychiatrische Gutachter Dr. med. I.__ führte aus, beim Beschuldigten lägen die typischen Merkmale einer posttraumatischen BelastungssTürung vor. Der Beschuldigte sei im Gefängnis im Irak inhaftiert gewesen, in welchem er belastenden Ereignissen mit aussergewöhnlicher Bedrohung, die bei fast jedem eine tiefe Verzweiflung hervorrufen würde, ausgesetzt gewesen sei. Nach der Flucht in die Schweiz habe der Beschuldigte versucht, sich zu integrieren. Es seien jedoch therapieresistente Schmerzen, depressive Beschwerden und schliesslich die typischen Beschwerden einer posttraumatischen BelastungssTürung aufgetreten, die, was nicht unüblich sei, lediglich Jahre nach den erfolgten Traumata aufgetreten seien (U-act. 8.1.006 S. 111; vgl. E. 1.c). Auch das Gutachten von Dr. med. I.__ vom 6. Januar 2008 steht daher folglich den Darstellungen von Dr. med. Q.__, wonach die Kriterien einer posttraumatischen BelastungssTürung beim Beschuldigten nicht hätten festgestellt werden können, entgegen.
bc) Ferner gab Dr. med. V.__ am 19. November 2012 anlässlich der zweiten Rentenrevision an, es gebe keine änderung der Diagnose, der Beschuldigte sei freudlos, affektlos, klagsam und zeige auch sonst deutliche Zeichen der schweren Traumatisierung (U-act. 8.1.007 S. 26; vgl. E. 1.f). Demnach stellte er im Gegensatz zu Dr. med. Q.__ Anzeichen einer schweren Traumatisierung fest.
bd) Auch Dr. med. H.__ gab anlässlich der vorinstanzlichen Hauptverhandlung im Wesentlichen an, der Beschuldigte habe ihm und den Kliniken berichtet, dass er in seinem Heimatland misshandelt worden sei, weshalb verschiedene Experten auf die Diagnose posttraumatische BelastungssTürung gekommen seien. Er habe die Einzelheiten zwar nicht mehr im Kopf, der Beschuldigte sei aber mehrfach verhaftet und gefoltert worden und habe 1999 unter preküren Umständen aus dem Irak fliehen können. Der Beschuldigte habe sehr authentisch gewirkt, weshalb er keine Zweifel gehabt habe. Es sei seiner Meinung nach gänzlich ausgeschlossen, dass man ein solches Krankheitsbild über Jahre imitieren könne (Vi-act. 31 S. 2 ff.; vgl. E. 1.k.aa). Diese Ausführungen sprechen somit ebenfalls gegen die Ausführungen von Dr. med. Q.__. Dr. med. H.__ erwähnte sodann explizit, der Beschuldigte habe sehr authentisch gewirkt und er habe daher keine Zweifel gehabt, was darauf schliessen lässt, dass die Schilderungen des Beschuldigten überzeugend gewirkt haben müssen. Dies steht im Gegensatz zu den Ausführungen von Dr. med. Q.__, wonach die Angaben des Beschuldigten nebulös und inkonsistent gewesen seien. Bemerkenswert ist sodann, dass Dr. med. H.__ den Beschuldigten über mehrere Jahre bei sich in Therapie hatte, was ebenfalls für die Konsistenz der ihm gegenüber gemachten Angaben spricht. Zudem bestätigt Dr. med. H.__ wie bereits dargelegt (vgl. E. 4.b.bb.aaa) die Einschätzung, dass es nicht möglich sei, ein solches Krankheitsbild über Jahre vorzutäuschen.
be) Dr. med. J.__ sagte aus, der Beschuldigte habe ihr detailgetreu und sehr kongruent von seiner Vergangenheit und insbesondere von den Gefängnisaufenthalten und Folterungen erzählt. Die Kriterien für eine posttraumatische BelastungssTürung, also zum einen Flashbacks und zum anderen das Hyperarousal, seien vorhanden. Entsprechende Situationen hätten auch in der Klinik S.__ festgestellt werden können (vgl. E. 1.m.aa). Im Gegensatz zu Dr. med. Q.__ erachtete Dr. med. J.__ die Angaben des Beschuldigten als detailgetreu und sehr kongruent. Zudem konnte sie verschiedene Beispiele von Foltererlebnissen schildern (vgl. E. 1.m.aa), was nicht möglich wäre, wenn die entsprechenden Angaben des Beschuldigten unklar widersprächlich gewesen wären. Auch diese Aussagen stehen also im Widerspruch zu den Ausführungen von Dr. med. Q.__, wonach die Kriterien einer posttraumatischen BelastungssTürung beim Beschuldigten nicht festzustellen seien.
bf) Somit konnten sämtliche ürzte, die den Beschuldigten allesamt über längere ZeitRäume behandelten sowie auch Dr. med. I.__, der das Gutachten vom 6. Januar 2008 im Auftrag der Privatklägerin erstellte, die Kriterien einer posttraumatischen BelastungssTürung feststellen und sie hegten keine Zweifel an den Schilderungen des Beschuldigten über seine Vergangenheit, insbesondere betreffend die Gefängnisaufenthalte und Folterungen. Einzig Dr. med. Q.__ kam in seinem Gutachten vom 5. März 2015 zu einem anderen Ergebnis. Angesichts dessen bestehen erhebliche Zweifel an der von Dr. med. Q.__ vertretenen Ansicht, dass die Kriterien einer posttraumatischen BelastungssTürung beim Beschuldigten nicht gegeben seien. Der Beschuldigte gab sodann an, Dr. med. Q.__ habe ihn nicht gut behandelt und wenig Fragen zu den Erlebnissen im Irak gestellt (vgl. E. 1.m.cc). Dies deutet vielmehr darauf hin, dass der Beschuldigte zu Dr. med. Q.__ nicht das gleiche Vertrauen wie zu anderen ürzten aufbauen konnte und entsprechend nicht nur rudimenTür über die Ereignisse im Irak sprach. Aus den Akten ergibt sich, dass der Beschuldigte nicht mit jedem über seine Vergangenheit sprechen wollte konnte: So gab selbst seine Ex-Frau an, sie hätten nie über die Zeit im Irak gesprochen, der Beschuldigte habe das nicht gewollt (Vi-act. 31 S. 9 Fragen 39 ff.; vgl. E. 1.k.bb). Dr. med. H.__ sagte aus, die traumatischen Erlebnisse im Irak seien erst durch die vertiefte Exploration in der Klinik S.__ zum Thema geworden, dies sei am Anfang der Gespräche mit dem Beschuldigten noch nicht so präsent gewesen (Vi-act. 31 S. 5 Frage 19; vgl. E. 1.k.aa). An der Einvernahme vom 2. September 2019 gab der Beschuldigte sodann wiederholt an, er könne resp. Möchte darüber nicht sprechen bzw. es gehe ihm schlecht, wenn er darüber reden müsse (U-act. 10.1.001 S. 5, 8, 9, 10 und 11). Der Beschuldigte sagte auch selbst aus, er habe nebst der Klinik S.__ niemandem vertraut, um darüber zu sprechen und sie hätten ihm in der Klinik S.__ mitgeteilt, es sei nicht gut, wenn er überall darüber spreche; er könne bzw. dürfe gar nicht mit jedem darüber sprechen (Vi-act. 31 S. 13 ff. Fragen 77 und 106; KG-act. 19 S. 22 Frage 67). All dies zeigt, dass der Beschuldigte nicht jedem über seine Vergangenheit berichten will kann. Es ist daher nicht auszuschliessen, dass er zu Dr. med. Q.__ nicht das nätige Vertrauen finden konnte und daher wenig über seine Vergangenheit erzählte.
ac) Des Weiteren führt Dr. med. Q.__ in seinem Gutachten aus, es erscheine sehr wahrscheinlich, dass die diagnostische Schlussfolgerung des Gutachtens vom 6. Januar 2008 anders ausgefallen wäre, hätte Dr. med. I.__ von der Dokumentation des Asylverfahrens Kenntnis gehabt, weil Dr. med. I.__ in einem solchen Fall gezwungen gewesen wäre, die Konsistenz der Angaben des Beschuldigten genauer zu prüfen (U-act. 8.1.008 S. 78). In seiner Anamnese stellte Dr. med. I.__ bezüglich der Inhaftierungen und Foltererlebnisse im Irak fest, der Beschuldigte habe während seiner Inhaftierungen im Gefängnis eine sehr schwierige Zeit erlebt. Man habe ihn nicht schlagen dürfen, weil seine Familie regierungstreu gewesen sei. Er sei in Einzelhaft in einer zwei Meter hohen Zelle, worin er sich nicht habe bewegen können, gefoltert worden. später sei die Zelle, in welcher der Beschuldigte mehrere Monate inhaftiert gewesen sei, lediglich noch einen Meter hoch gewesen. Davon habe er noch heute Knieschmerzen. Des Weiteren habe man den Beschuldigten aufgehängt, über ihn gelacht und wieder zu Boden fallen lassen, dies mehrmals hintereinander. Der Beschuldigte habe die Folter ertragen, weil er in der MiliTürausbildung dafür trainiert worden sei (U-act. 8.1.006 S. 70). Dr. med. Q.__ hielt bezüglich seiner Anamnese zu den erlebten Traumatisierungen fest, der Beschuldigte habe angegeben, es sei ein Kriegstrauma. Er sei traumatisiert worden durch Druck, Schläge, Gefangenschaft sowie schwere Arbeit im Irak. Nachdem er einen Befehl verweigert habe, sei er ins Gefängnis der 5. Abteilung des Geheimdienstes in Bagdad gekommen. Da er den Befehl zweimal verweigert habe, sei er mehrere Male, zwischen sechs Wochen und zwei Monaten in dieser Abteilung gewesen. Dort habe man ihn an einem Stück Holz angebunden und geschlagen sowie mit kaltem Wasser begossen (U-act. 8.1.008 S. 68). Die von Dr. med. I.__ erhobene Anamnese in Bezug auf die Inhaftierungen und Foltererlebnisse im Irak erweist sich als mindestens so detailliert wie diejenige von Dr. med. Q.__. Die Prüfung der Konsistenz der Angaben des Beschuldigten im Gutachten von Dr. med. I.__ vom 6. Januar 2008 steht folglich derjenigen im Gutachten von Dr. med. Q.__ vom 5. März 2015, soweit ersichtlich, in nichts nach. Ob Dr. med. I.__ bei Kenntnis der Dokumentation des Asylverfahrens zu einem anderen Schluss gekommen wäre, lässt sich folglich aufgrund der Akten nicht mit Sicherheit feststellen. Eine diesbezügliche Befragung von Dr. med. I.__ im Strafverfahren wurde sodann nicht durchgefährt. Abgesehen davon sagte Dr. med. Q.__ an der Berufungsverhandlung vom 1. Februar 2022 in Bezug auf sein eigenes Gutachten aus, die Akten des Asylverfahrens seien wichtig gewesen, aber die Schilderungen des Beschuldigten in Bezug auf die traumatischen Erlebnisse seien derart nebulös und inkonklusiv gewesen, dass es unwahrscheinlich sei, dass er ohne die Akten zu einem anderen Schluss gekommen wäre (KG-act. 19 S. 13 Frage 18). Indem Dr. med. Q.__ aber festhält, dass Dr. med. I.__ bei Kenntnis der Asylakten zu einem anderen Schluss gekommen wäre, misst er diesen Akten bezüglich des ersten Gutachtens eine Grössere Bedeutung zu als beim eigenen Gutachten. Weil das Gutachten von Dr. med. I.__ vom 6. Januar 2008 hinsichtlich der Anamnese dem Gutachten von Dr. med. Q.__ vom 5. März 2015 aber mindestens gleichwertig ist, ist nicht nachzuvollziehen, wieso die Kenntnis der Asylakten beim ersten Gutachten einen Grösseren Einfluss hätte haben sollen. Jedenfalls kann nicht ohne Zweifel davon ausgegangen werden, dass Dr. med. I.__ zu einem anderen Ergebnis gekommen wäre, hätte er die Akten aus dem Asylverfahren gekannt.
ad) Dr. med. Q.__ führte im Gutachten vom 5. März 2015 sodann aus, die Reisen des Beschuldigten in den Irak wären bei Vorliegen einer posttraumatischen BelastungssTürung nicht möglich gewesen (U-act. 8.1.008 S. 76). An der Berufungsverhandlung vom 1. Februar 2022 sagte er, zum Bild einer posttraumatischen BelastungssTürung Gehöre zwangsläufig ein Vermeiden. Demnach sei die Reise des Beschuldigten in sein Heimatland unmöglich mit einer derart schweren Traumatisierung vereinbar. Eine Person, die eine derart schwere Symptomatik aufweise, würde sTürungsbedingt nicht im Stande sein, sich freiwillig an diesen Ort zu begeben (KG-act. 19 S. 10 f. Frage 8 f.). Auf Nachfrage, ob es ausgeschlossen sei, dass der Beschuldigte in den gesamten Irak zurückgehe, weil er an einem spezifischen Ort im Irak gefoltert worden sein soll, mit anderen Worten, ob er nicht nur an den Ort der konkreten Folterungen, sondern in das ganze Land nicht zurückkehren könnte, antwortete Dr. med. Q.__, es könne nicht mit notwendiger Sicherheit behauptet werden, dass es eng ortsgebunden sei (KG-act. 19 S. 11 Frage 11). An der Einvernahme vom 2. September 2019 erklärte der Beschuldigte, er sei nur zweimal in den Irak gereist. Dort habe er eine Namensänderung machen müssen (U-act. 10.1.001 S. 7). Er habe naTürlich Angst gehabt, das zuständige Konsulat habe ihm jedoch zugesichert, dass er keine Angst haben müsse, weil der Nordirak autonom sei. Er habe in den Irak reisen müssen, weil er die Dokumente beim Konsulat in der Schweiz nicht habe besorgen können (U-act. 10.1.001 S. 7; vgl. E. 1.j). An der erstinstanzlichen Hauptverhandlung gab er an, er sei das letzte Mal 2012 im Nordirak gewesen, um eine Namensänderung zu machen (Vi-act. 31 S. 15 Frage 98). Zudem sei er einmal mit seiner Ex-Frau drei Wochen im Irak gewesen an der Grenze zur Türkei und habe dort seine Familie besucht (Vi-act. 31 S. 15 Frage 99). Er habe immer Angst gehabt zurückzukehren, aber der Nordirak habe nichts mit Bagdad zu tun (Vi-act. 31 S. 15 Frage 100). Er könne dort aber nicht leben, weil er dort nichts habe (Vi-act. 31 S. 15 f. Frage 101; vgl. E. 1.k.cc). Aus den Akten ergibt sich nicht eindeutig, wann, wie oft, wie lange und mit wem der Beschuldigte in den Irak reiste (U-act. 8.1.008 S. 71: ?[...] sei der Versicherte im Jahre 2013 in den Irak gegangen, um sich dort die Dokumente zu holen. Die Reise habe der Versicherte mit der Ehefrau und den Kindern absolviert; U-act. 8.1.018 S. 277: Letztes Jahr, als wir für 3 Wochen in den Irak gingen [...]?; U-act. 10.1.001 S. 7: Ich bin nur zweimal in den Irak gereist und ?[i]ch bin nur in die Türkei gefahren, nicht in den Irak?). Dass der Beschuldigte bei einer dieser Reisen in die Nähe eines Ortes gereist ist, an dem er inhaftiert und gefoltert wurde, lässt sich nicht feststellen. Die Aussage von Dr. med. Q.__, es könne nicht mit notwendiger Sicherheit behauptet werden, dass das normalerweise zu erwartende Vermeiden beim Beschuldigten eng ortsgebunden sei, bedeutet sodann nicht zwangsläufig, dass quasi im Umkehrschluss angenommen werden muss, das Vermeiden Müsste auf dem Gebiet des gesamten Irak auftreten. Vielmehr muss die Aussage so verstanden werden, dass Dr. med. Q.__ eben gerade keine gesicherte Aussage darüber machen konnte, ob das normalerweise zu erwartende Vermeiden beim Beschuldigten eng ortsgebunden auftritt nicht. Hinzu kommt, dass der Beschuldigte selbst mehrfach erklärte, der Nordirak sei nicht mit Bagdad gleichzusetzen. Selbst wenn also davon auszugehen wäre, dass das Vermeiden nicht eng ortsgebunden auftritt, ist nicht klar, ob dies auch die autonome Region Kurdistan im Nordirak nur die Regionen des Iraks betrifft, die von Bagdad aus kontrolliert werden. Immerhin sollen die fraglichen Inhaftierungen und Folterungen in einem engen Zusammenhang mit der damaligen Regierung von Saddam Hussein gestanden haben, weshalb es nicht abwegig erscheint, wenn sich auch das von Dr. med. Q.__ angesprochene Vermeiden auf den Teil des Iraks beschränken würde, der von Bagdad aus kontrolliert wird. Angesichts dessen folgt auch aus dem Umstand, dass der Beschuldigte in den Irak reiste, nicht zweifelsfrei, dass er keine Traumaerlebnisse an anderen ?-rtlichkeiten des Iraks hatte.
ae) Die Vorinstanz erwog, der Beschuldigte verwickle sich betreffend seine politischen Aktivitäten in Widerspräche, einerseits in Bezug auf seine Zeit im Irak und anderseits in Bezug auf die Feststellungen im Rahmen der Observationen und Internetrecherchen, gemäss welchen er ein aktives politisches Engagement gezeigt habe und offenbar gut vernetzt sei, was er gegenüber der Privatklägerin jedoch wiederholt verneint habe (angefochtenes Urteil E. I.3.e). Dr. med. Q.__ hält im Gutachten vom 5. März 2015 fest, in den Bildmaterialien der Internetrecherche seien zahlreiche Abbildungen des Beschuldigten, alleine sowie mit anderen Menschen zusammen, wobei der Beschuldigte auf vielen Photos im Business-Outfit zu sehen sei mit Buttons, allem Anschein einer politischen Bewegung zugehörend, deren Symbol er auch wiederholt in der Hand halte als Fahne schwenke. Zudem werde er auf Seite 100 mit einem Badge abgebildet, was normalerweise eine aktive Teilnahme an einer Veranstaltung signalisiere. Der Gesichtsausdruck des Beschuldigten sei auf den Fotos überwiegend frühlich, auf Videos werde er beim Tanzen im aktiven Gespräch mit anderen Personen gezeigt. Dies sei von Bedeutung, weil der Beschuldigte in der Vergangenheit seine politische Aktivität im Heimatland als traumarelevant erwähnt habe. Demzufolge wäre eine Teilnahme an einer politischen Veranstaltung durchaus fähig, krankhafte Phänomene hervorzurufen. Eine tiefgreifende psychische Beeinträchtigung beim Kontakt mit traumarelevanten Inhalten könne auf den Bildern jedoch nicht erkannt werden (U-act. 8.1.008 S. 77).
Der Beschuldigte wurde am 17. Dezember 2013, von 7.00 Uhr bis 17.00 Uhr, am 9. Januar 2014, von 8.30 Uhr bis 17.30 Uhr, und am 5. April 2014, von 8.30 Uhr bis 12.30 Uhr von ?Z.__? überwacht (U-act. 8.1.015 S. 10). Zudem wurden Internetrecherchen getätigt (U-act. 8.1.016). Im Ermittlungsbericht vom 10. Mai 2014 wird betreffend die Aktivitäten des Beschuldigten festgestellt, es habe sich keine klare Tagesstruktur abgezeichnet. Die verschiedenen Aktivitäten seien allesamt priVater Natur gewesen, wie zum Beispiel das Aufsuchen von bekannten unbekannten ?-rtlichkeiten, das tätigen von EinKäufen sowie das Erledigen von Besorgungen (U-act. 8.1.015 S. 10). Betreffend die Erwerbstätigkeit des Beschuldigten konnten keine Anhaltspunkte festgestellt werden, wonach der Beschuldigte einer erwerbsmässigen resp. beruflichen tätigkeit einer anderen regelmässigen tätigkeit nachgegangen sei (U-act. 8.1.015 S. 10). Körperliche Einschränkungen konnten nicht festgestellt werden, der Beschuldigte sei als vital, agil und mobil wahrgenommen worden (U-act. 8.1015 S. 11). Im psychischen Verhalten seien keine offenkundigen AufFälligkeiten wahrzunehmen gewesen. Die seelische und emotionale Situation sei äusserlich ausgeglichen sowie unauffällig erschienen. Anzeichen, wonach der Beschuldigte unter Depressionen, Antriebslosigkeit, Aggressivität, Reizbarkeit, Lust- und Freudlosigkeit gelitten habe, seien latent nicht zu erkennen gewesen (U-act. 8.1.015 S. 12). Es sei wiederholt festzustellen gewesen, dass der Beschuldigte allein unterwegs gewesen sei und dabei lediglich Zufallskontakte gehabt habe (U-act. 8.1.015 S. 12). Der RAD-Arzt Dr. med. AA.__ hielt am 2. Juli 2014 fest, die Observation sei nicht hilfreich. Das Vorhandensein einer psychiatrischen STürung wie posttraumatische BelastungssTürung depressives Syndrom lasse sich jedenfalls aus dieser Observation nicht widerlegen. Die Abläufe der Observation im Winter würden sogar eher für das Vorhandensein einer psychischen Erkrankung sprechen (U-act. 8.1.007 S. 103). In der Tat gibt die Observation kaum Aufschlüsse über die diagnostizierte posttraumatische BelastungssTürung und die gestützt darauf attestierte Arbeitsunfähigkeit des Beschuldigten. Auch wenn der Beschuldigte keine Grösseren Einschränkungen in physischer Hinsicht zeigte, wurde er nicht beim Verrichten von tätigkeiten beobachtet, die mit der attestierten Arbeitsunfähigkeit im Widerspruch stehen. In Bezug auf die psychischen Einschränkungen erscheint ohnehin fraglich, ob diese überhaupt durch eine Observation an drei Tagen tagsüber widerlegt werden können, zumal ein wesentlicher Teil der vom Beschuldigten geschilderten Beschwerden SchlafsTürungen sowie nächtliche Intrusionen betrifft (vgl. U-act. 8.1.006 S. 49, 97, 111, 122 und 185; U-act. 8.1.007 S. 92 f.; U-act. 8.1.008 S. 66 und 68; U-act. 8.1.009 S. 21; U-act. 8.1.010 S. 14 und 84; U-act. 8.1.017 S. 137, 157 und 172), die mit der besagten Observation von vornherein nicht festzustellen sind. Aus der Observation ergeben sich zusammengefasst keine Hinweise, die in Bezug auf die diagnostizierte posttraumatische BelastungssTürung und die gestützt darauf attestierte Arbeitsunfähigkeit Aufschluss geben könnten.
Ferner wird im Ermittlungsbericht festgestellt, aufgrund von Internetrecherchen sei davon auszugehen, dass sich die Zielperson intensiv politisch auseinandersetze und einbringe, dies offenkundig im Zusammenhang mit der ?AB.__". Womöglich bekleide der Beschuldigte in dieser Partei eine Funktion (U-act. 8.1.015 S. 11). Die Internetrecherche zeigt verschiedene Bilder und Videos des Beschuldigten, die er Hauptsächlich auf Facebook aufschaltete (U-act. 8.1.016). So sind Fotos des Beschuldigten vermutlich an einer Veranstaltung der AB.__ vom 8. Juni 2014 (U-act. 8.1.016 S. 5-20), Fotos von einem Treffen im Wald vom 22. bzw. 23. Mai 2014 (U-act. 8.1.016 S. 21-33), Fotos des Beschuldigten auf einer Parkbank vom 6. und 14. Mai 2014 (U-act. 8.1.016 S. 34 f.), Bilder des Beschuldigten möglicherweise an einem Treffen einer Kundgebung der AB.__ vom 28. April 2014 (U-act. 8.1.016 S. 36-54), Bilder des Beschuldigten an einem Treffen vermutungsweise mit Landsleuten vom 4. April 2014 (U-act. 8.1.016 S. 55-76, wobei die meisten Fotos am 5. April 2014 und zwei Fotos am 8. bzw. 11. April 2014 hochgeladen wurden), einzelne Bilder des Beschuldigten vom 3. April 2014, 2. Januar 2014, 31. Dezember 2013 und 30. Dezember 2013, die sich nicht näher einordnen lassen (U-act. 8.1.016 S. 77-82), Fotos von einem Treffen vermutungsweise mit Landsleuten vom 21. Dezember 2013 (U-act. 8.1.016 S. 83-98, wobei zwei Bilder am 25. bzw. 26. Dezember 2013 aufgeschaltet wurden), verschiedene Bilder des Beschuldigten im Zeitraum vom 10. November 2013 bis zum 6. Dezember 2013, die sich nicht näher einordnen lassen und den Beschuldigte meist alleine auf einem Spaziergang zeigen (U-act. 8.1.016 S. 99-116), Bilder des Beschuldigten vermutungsweise an einer Veranstaltung der AB.__ vom 7./8. November 2013 (U-act. 8.1.016 S. 117-145) sowie ein Video vom 21. Dezember 2013, das den Beschuldigten bei einem Tanz zeigt (U-act. 8.1.016 S. 149-151), zu sehen. Der Beschuldigte besuchte folglich im Zeitraum von Anfang November 2013 bis Anfang Juni 2014, mithin innerhalb von sieben Monaten vermutlich drei Veranstaltungen der AB.__ und traf sich dreimal in einem Grösseren Kreis von Landsleuten. Dies dokumentiert noch keine intensive politische Aktivität und legt auch nicht die Vermutung nahe, der Beschuldigte bekleide eine Funktion in der AB.__. Angesichts dessen zeigen weder die Observation noch die Internetrecherchen unvermeidbare Widerspräche auf. Bei diesem Ergebnis ist nicht näher darzulegen, ob die genannten Beweise rechtmässig erlangt wurden und die daraus resultierenden Erkenntnisse im Strafverfahren zu Lasten des Beschuldigten verwertet werden dürften (vgl. Art. 141 StPO).
c) Zusammenfassend ergibt sich kein klares Bild. Auch wenn gewisse Widerspräche nicht von der Hand zu weisen sind, lässt sich nicht mit strafrechtsgenüglicher Sicherheit feststellen, ob der Beschuldigte in seiner Vergangenheit im Irak traumatisierenden Erlebnissen durch Inhaftierungen und Folterungen ausgesetzt war und infolgedessen an einer posttraumatischen BelastungssTürung litt, die eine Arbeitsunfähigkeit im angeklagten Zeitraum begründete. Dieser Ungewissheit verleiht denn auch Dr. med. Q.__ Ausdruck, indem er ausführte, es könne nicht geklürt werden, ob der Versicherte überhaupt relevanten Traumatisierungen ausgesetzt wurde (U-act. 8.1.008 S. 76) bzw. es sei ?unklar, [...] ob der Beschuldigte jemals solchen Ereignissen ausgesetzt wurde (KG-act. 19 S. 10 Frage 8). Hinzu kommt, dass die Angaben des Beschuldigten nicht wie von der Staatsanwaltschaft vorgebracht stündig änderten (vgl. KG-act. 19/4 S. 2 f.): Zwar widersprechen die Angaben im Asylverfahren denjenigen im IV-Verfahren (vgl. dazu E. 4.a), die gemachten Angaben im IV-Verfahren und später im Strafverfahren weisen indessen nur kleinere Widerspräche auf, etwa in Bezug auf den genauen Zeitpunkt der Reisen in den Irak (vgl. E. 4.b.dd) das Alter, mit dem er das MiliTür besucht habe (U-act. 8.1.006 S. 68: im Alter von 18 bis 22 Jahren?; U-act. 8.1.008 S. 71: Mit 15; U-act. 8.1.010 S. 12: vom 15. bis 21. Lebensjahr?; U-act. 10.1.001 S. 8: Ich wurde mit 16 Jahren in diese Einheit eingezogen). In den wesentlichen zügen blieben die Angaben des Beschuldigten aber konstant, was auch aus den Aussagen von Dr. med. H.__ (Vi-act. 31 S. 4 f. Frage 17) und Dr. med. J.__ (KG-act. 19 S. 5 Fragen 16 und 18) hervorgeht. Zudem reichte der Beschuldigte ein Schreiben der Stiftung für politische Gefangene (AC.__) vom 14. März 2021 ein, in dem bestätigt wird, dass der Beschuldigte 1994 für einen Monat, 1995 für zwei Monate und 1996 für drei Monate in verschiedenen Gefängnissen inhaftiert worden sei (KG-act. 7/1 und 7/2). Wenngleich dieses Dokument nur in Kopie vorliegt, stellt es dennoch ein Indiz dar, das die Darstellungen des Beschuldigten in Bezug auf die Inhaftierungen stätzt. Hinzu kommt der ürztliche Befund von Dr. med. AD.__ vom 5. Mai 2020, den der Beschuldigte im erstinstanzlichen Verfahren einreichte, wonach der Beschuldigte am linken Unterschenkel eine oberflächliche Vernarbung, die mit einer vor längerer Zeit stattgefundenen Verbrennung vereinbar sei, sowie in der linken Achselhöhle zwei Narben älteren Datums aufweise, die mit einer Ritzverletzung vereinbar seien (Vi-act. 13). Zwar stellt dieser ürztliche Befund aus dem Jahr 2020 keinen Beweis für Folterungshandlungen vor mehr als 20 Jahren dar. Es liegt jedoch wie bereits erwähnt im Strafverfahren nicht am Beschuldigten, den Beweis für seine Unschuld anzutreten. Jedenfalls werfen zumindest die beiden Narben in der linken Achselhöhle angesichts der sehr ungewähnlichen Stelle der Verletzung Fragen nach dem Ursprung der Verletzung auf. darüber hinaus begründete der Beschuldigte seine IV-Anmeldung vom 6. November 2006 mit Rückenproblemen und dem Bruch der linken Hand (U-act. 8.1.006 S. 11; vgl. E. 1.b) und nicht mit einer Arbeitsunfähigkeit aufgrund psychischer Probleme. Obwohl dies alleine nicht ausschliesst, dass der Beschuldigte später über seinen Gesundheitszustand in Bezug auf die psychischen Probleme hätte täuschen können, spricht die Tatsache, dass der Beschuldigte bereits einen Tag nach der IV-Anmeldung erstmals in die Klinik S.__ eintrat, bei der IV-Anmeldung aber keine psychischen Probleme geltend machte, gegen eine geplante Täuschung über seine psychische Gesundheit. darüber hinaus war es der Psychiater Dr. med. H.__, der den Beschuldigten nach einjöhriger nervenürztlicher Behandlung anfangs November 2006 an die Klinik S.__ überwies (vgl. U-act. 8.1.006 S. 46 f.). Zu beachten ist sodann auch, dass die Y.__ gegenüber der Privatklägerin am 27. Juni 2013 erklärte, der Beschuldigte benätige aufgrund seiner psychischen Behinderung Unterstätzung beim Wochenkehr. Gleichzeitig würden Gespräche und Unterstätzung im Alltag inkl. Ressourcenabklärung erfolgen. Der psychische Zustand sei gemäss Dokumentation schlecht, aktuell sei es eine sehr schwierige Situation (U-act. 8.1.007 S. 64). Auch diese (wenngleich keine ürztliche) Beurteilung spricht für das Vorhandensein einer psychischen Beeinträchtigung. Insgesamt bestehen also mehr als nur theoretische Zweifel daran, dass der Beschuldigte im Sinne des wenig konkretisierten, vermutlichen Anklagevorwurfs wahrheitswidrig von Inhaftierungen und Folterungen im Irak sowie von später wiederkehrenden Albträumen und Flashbacks berichtet und dadurch seinen Gesundheitszustand schlechter darstellt haben soll, als er tatsächlich gewesen sei. Folglich bestehen unüberwindliche Zweifel am Anklagevorwurf und ist nach dem Grundsatz in dubio pro reo von der für den Beschuldigten günstigeren Sachlage auszugehen, d.h. davon, dass er keine wahrheitswidrigen Angaben über seine Vergangenheit im Irak und seinen Gesundheitszustand machte. Damit fehlt es bereits an einer tatbestandsmässigen Täuschungshandlung, weshalb der Beschuldigte freizusprechen ist. Bei diesem Ergebnis kann offenbleiben, ob das Tatbestandsmerkmal der Arglist und der subjektive Tatbestand erfüllt sind. In Bezug auf die Arglist erscheint es ohnehin fraglich, ob der Beschuldigte angesichts der Tatsache, dass er schon bei der IV-Anmeldung seine Zustimmung zum Einholen von Akten anderer Behörden, also auch der Asylakten, gab (U-act. 8.1.006 S. 13), insbesondere unter dem Gesichtspunkt der Opfermitverantwortung, tatbestandsmässig getäuscht hätte.
d) Die Staatsanwaltschaft verlangte vor Vorinstanz mit Eventualantrag die Verurteilung des Beschuldigten wegen Vergehens gegen die IVG/ELG/BVG-Gesetzgebung im Sinne von Art. 70 IVG i.V.m. Art. 87 Abs. 1 AHVG, Art. 31 Abs. 1 lit. a ELG sowie Art. 76 Abs. 1 BVG (Vi-act. 1). Die TatBestände von Art. 87 Abs. 1 AHVG, Art. 31 Abs. 1 lit. a ELG und Art. 76 Abs. 1 BVG setzen allesamt voraus, dass der täter durch unwahre unvollständige Angaben in anderer Weise eine Leistung erwirkt, die ihm (oder einer anderen Person) nicht zukommt. Dem Beschuldigten wird in der Anklage vorgeworfen, wahrheitswidrige Angaben über seine Vergangenheit im Irak und seinen Gesundheitszustand gemacht zu haben, mithin durch unwahre Angaben eine Leistung erwirkt zu haben, die ihm nicht zustand. Nachdem dem Grundsatz in dubio pro reo folgend davon auszugehen ist, dass der Beschuldigte keine wahrheitswidrigen Angaben über seine Vergangenheit im Irak und seinen Gesundheitszustand machte, wäre auch bezüglich des vorinstanzlichen Eventualantrags das Tatbestandsmerkmal der unwahren Angaben nicht erfüllt, weshalb der Beschuldigte auch von diesem Strafvorwurf freizusprechen ist. Somit erübrigt es sich, die weiteren Tatbestandsmerkmale sowie den subjektiven Tatbestand zu prüfen.
5. Zivilforderung
Die Vorinstanz trat auf die Zivilforderung der Privatklägerin nicht ein (angefochtenes Urteil Dispositivziffer 4). Der Beschuldigte focht das Urteil in diesem Punkt nicht an und es wurde keine Anschlussberufung erhoben, weshalb das angefochtene Urteil in diesem Punkt in Rechtskraft erwuchs.
6. Kosten und Entschädigungen
a) Das angefochtene Urteil ist aufzuheben und der Beschuldigte ist freizusprechen. Ausgangsgemäss gehen die Kosten sowohl des erstinstanzlichen Verfahrens als auch des Berufungsverfahrens zu Lasten des Staates (Art. 423 und 428 StPO).
b) Der Beschuldigte hat überdies einen Anspruch auf Entschädigung seiner Aufwendungen für die angemessene Ausübung seiner Verfahrensrechte (Art. 429 Abs. 1 lit. a StPO i.V.m. Art. 436 Abs. 1 StPO). In Strafsachen beträgt das Honorar vor der Untersuchungs- und AnklageBehörde sowie dem Einzelrichter und dem Bezirksgericht Fr. 300.00 bis Fr. 20'000.00, vor dem Kantonsgericht als Berufungsinstanz Fr. 300.00 bis Fr. 12000.00 ( 13 lit. a und c GebTRA). Innerhalb dieses Tarifrahmens bestimmt sich die Höhe des Honorars nach der Wichtigkeit der Streitsache, ihrer Schwierigkeit, dem Umfang und der Art der Arbeitsleistung sowie dem notwendigen Zeitaufwand ( 2 Abs. 1 GebTRA). Wird die Vergütung pauschal zugesprochen, gilt die Mehrwertsteuer als in diesem Betrag enthalten ( 2 Abs. 2 GebTRA). Eine Partei kann eine spezifizierte Kostennote über ihre tätigkeit und ihre Auslagen einreichen. Erscheint sie angemessen, ist sie der Festsetzung der Vergütung zugrunde zu legen. Andernfalls wird die Vergütung nach pflichtgemüssem Ermessen, d.h. nach den Regeln des gebührentarifs festgesetzt ( 6 Abs. 1 GebTRA; BGer, Urteil 6B_184/2007 vom 7. September 2007, E. 5.1).
c) Der amtliche Verteidiger wurde von der Vorinstanz für das erstinstanzliche Verfahren mit Fr. 8164.90 (inkl. Auslagen und MWST) entschädigt. Die Entschädigung liegt innerhalb des vorgesehenen Tarifrahmens. überdies focht die Verteidigung die Höhe der Entschädigung nicht an, weshalb es damit sein Bewenden hat. Indessen ist der Beschuldigte vom Vorbehalt der Rückzahlungspflicht gemäss Art. 135 Abs. 4 lit. a StPO zu befreien.
d) Für das Berufungsverfahren reichte der amtliche Verteidiger eine Kostennote in Höhe von Fr. 6484.95 (inkl. Auslagen und MWST) ein, die jedoch den Aufwand für die Berufungsverhandlung noch nicht enthielt (KG-act. 19/3). In Anbetracht, dass der Fall in tatsächlicher Hinsicht aufgrund der verschiedenen Früheren Verfahren vor anderen Behörden (Asylverfahren, IV-Verfahren, Verwaltungsgerichtsverfahren) einen verhältnismässig komplexen Sachverhalt aufweist und eine Auseinandersetzung mit zahlreichen Arztberichten, den beiden IV-Gutachten sowie den Aussagen der befragten Zeugen und des Beschuldigten erfordert, erscheint der geltend gemachte Aufwand angemessen. Unter BeRücksichtigung des Aufwands für die Berufungsverhandlung vom 1. Februar 2022 (ca. 7.5 Stunden = ungefähr Fr. 1500.00 inkl. MWST) rechtfertigt es sich, den amtlichen Verteidiger mit pauschal Fr. 8000.00 (inkl. Auslagen und MWST) für das Berufungsverfahren zu entschädigen;-
erkannt:
In Gutheissung der Berufung wird das angefochtene Urteil aufgehoben und wie folgt ersetzt:
1. A.__ wird von Schuld und Strafe freigesprochen.
2. Auf die Zivilforderung der D.__ im Betrag von Fr. 289603.95 wird nicht eingetreten.
3. Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens, bestehend aus:
den Untersuchungs- und Anklagekosten Fr. 4610.00
den Gerichtskosten (inkl. Gerichtsgebühr) Fr. 7736.00
den Kosten der amtlichen Verteidigung Fr. 8164.90
Total Fr. 20510.90
gehen zu Lasten des Staates.
4. Die Kosten des Berufungsverfahrens von Fr. 6000.00 gehen zu Lasten des Staates.
5. Der amtliche Verteidiger Rechtsanwalt B.__ wird erstinstanzlich aus der Staatskasse mit Fr. 8164.90 (inkl. Auslagen und MWST; Fr. 180.00 Stundenansatz) und für das Berufungsverfahren aus der Kantonsgerichtskasse mit pauschal Fr. 8000.00 (inkl. Auslagen und MWST) entschädigt.
6. Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen seit Zustellung nach Art. 78 ff. des Bundesgerichtsgesetzes (BGG) Beschwerde in Strafsachen beim Bundesgericht in Lausanne eingereicht werden. Die Beschwerdeschrift muss den Anforderungen von Art. 42 BGG entsprechen.
7. Zufertigung an Rechtsanwalt B.__ (2/R), die Privatklägerin (1/R), die Staatsanwaltschaft (1/A an die 3. Abteilung und 1/R an die Amtsleitung/zentraler Dienst) und die Vorinstanz (1/?) sowie nach definitiver Erledigung an die Vorinstanz (1/ES, unter Rückgabe der Akten), an das Amt für Migration (1/R), die Kantonsgerichtskasse (1/, im Dispositiv) und mit Formular an die KOST (betr. Freispruch).
Namens der Strafkammer
Der KantonsgerichtsvizePräsident Der Gerichtsschreiber
Versand
20. Mai 2022 kau